EKD-Synodale Kristin Merle fordert Aussprache

Portrait von Prof. Dr. Kristin Merle
© epd-bild/Heike Lyding
Kristin Merle ist eine deutsche evangelische Theologin. Sie ist Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg.
Nach Kurschus-Rücktritt
EKD-Synodale Kristin Merle fordert Aussprache
Die Hamburger Theologieprofessorin und Synodale Kristin Merle erwartet von der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der nächsten Woche einen Beginn der Aufarbeitung des Rücktritts von Annette Kurschus vom Amt der Ratsvorsitzenden. "Die Synode kann auf keinen Fall sofort zu business as usual übergehen", sagte Merle.

 "Grundsätzlich erwarte ich, dass die Synodalen Raum zur Aussprache erhalten", fügte die Synodale Kristin Merle hinzu. Nach bisheriger Planung ist das laut EKD für die digitale Sitzung am Dienstag nicht vorgesehen.

Die Professorin für Praktische Theologie sagte zudem, sie fände es angemessen, eine die Arbeit von Kurschus wertschätzende gemeinsame Erklärung der Synode zu verfassen. Merle forderte darüber hinaus, es müssten innerhalb der kirchenleitenden Organe "vertrauensbildende Maßnahmen" stattfinden und stellte "Formen der Mediation" in den Raum. Sie verwies dabei auf Hinweise auf Kontroversen im Rat der EKD und der Kirchenkonferenz, dem Zusammenschluss der Landeskirchen, im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Kurschus.

Hintergrund für den Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und westfälische Präses waren Vorwürfe gegen Kurschus, sie sei nicht transparent mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt umgegangen. Im Mittelpunkt steht dabei ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' früherem Arbeitsumfeld in Siegen. Der Beschuldigte soll junge Männer sexuell bedrängt haben. Die "Siegener Zeitung" hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synodentagung Mitte November in Ulm über den Fall berichtet.

Kurschus nahm vor den Synodalen Stellung zu dem Fall. Dabei räumte sie ein, den Beschuldigten "sehr gut" gekannt zu haben, wies die Vorwürfe ansonsten aber zurück. Merle sagte rückblickend auf die Zeit nach der Erklärung: "Als synodale Person war man in einer Art unfreiwilligen Zuschauerrolle, weitgehend ohne Einfluss auf die Geschehnisse, die aber einen dramatischen Gesamtverlauf hatten." Die Faktenlage sei "diffus geblieben und ist es auch jetzt noch". Mit Blick auf die danach bekannt gewordenen Kontroversen sagte sie: "Insgesamt hatte man es mit dem Vollzug eines verstörenden Dramas zu tun, bei dem nicht klar war, wer Regie führt. Gewinner hat es am Ende keine gegeben."

Dass die Synode informiert wurde, findet Merle nach eigenen Worten richtig. Schließlich betreffe der Fall in Siegen eines der zentralen Themen, die sich die EKD auf die Fahnen geschrieben habe. "Möglicherweise wäre es gut gewesen, die Synode proaktiv im Prozess in Ulm schon früher zu informieren", ergänzte Merle.

Sie habe aber "keinen Moment an der grundsätzlichen Integrität der Ratsvorsitzenden gezweifelt", sagte Merle. Wenn Kurschus sage, dass der Fall extern, unabhängig und ohne Ansehen der Person aufgearbeitet werde, habe sie keinen Grund anderes anzunehmen, "dann unterstütze ich diesen Aufklärungswillen mit Applaus", sagte Merle. Die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, hatte danach vor Journalisten erklärt, sie sei über den Applaus irritiert gewesen. Diese "Distanzierungsgeste" habe sie überrascht, sagte Merle.