Hilfsorganisation: Krieg gegen Israel führt zu neuer Traumatisierung

Hilfsorganisation: Krieg gegen Israel führt zu neuer Traumatisierung
25.10.2023
epd
epd-Gespräch: Yvonne Jennerjahn

Berlin (epd). Die Hilfsorganisation Amcha hat mehr Hilfe für Holocaust-Überlebende in Israel gefordert. Das pogromartige Massaker der Hamas und des Islamischen Dschihad in Israel am 7. Oktober werde insbesondere von Überlebenden der Schoah und ihren Familien als existenzielle Bedrohung erlebt, sagte der Vorstandsvorsitzende vom Amcha Deutschland, Lukas Welz, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin: „Der Terror und die Gewalt in ihrer bestialischen Dimension hat bei vielen Menschen in Israel Sekundärtraumatisierungen ausgelöst.“

Die Organisation Amcha wurde 1987 von Holocaust-Überlebenden in Israel gegründet. Sie unterstützt NS-Überlebende und ihre Angehörigen mit psychosozialen Hilfen. Der Begriff „Amcha“ kommt den Angaben zufolge aus dem Hebräischen und bedeutet sinngemäß: „Du bist von uns.“

Welz sagte zu den Terrorattacken vom 7. Oktober: „Menschen, die bei lebendigem Leib verbrannt wurden, Qual, Folter und Vergewaltigungen oder das Überleben durch Totstellen sind Erfahrungen, die Jüdinnen und Juden weltweit aus Erzählungen oder aus eigenem Erleben aus der Zeit der Verfolgung während des Nationalsozialismus kennen. Insofern sind die Gewalterfahrungen der letzten Wochen eine massive psychologische Belastung.“

Die auf Vernichtung basierende antisemitische Ideologie, die Brutalität und Grausamkeit hätten traumatisierende Erinnerungen an die Schoah geweckt. Der psychosoziale Unterstützungsbedarf bei Überlebenden, ihren Nachkommen und der gesamten israelischen Bevölkerung sei massiv angestiegen. Viele Menschen würden erst in den nächsten Wochen die Kraft finden, psychosoziale Unterstützung zu suchen, „wenn Klarheit über die aktuelle Situation gewonnen und ein Mindestmaß an Stabilität gefunden wurde“. Andere benötigten akut Unterstützung.

„Ängste, Traumafolgen und depressives Verhalten nehmen wahrnehmbar zu“, sagte Welz. Auch der aggressive Antisemitismus in Deutschland stelle für Überlebende eine Bedrohung dar und wecke weitere Ängste und traumatisierende Erfahrungen. Aber auch Solidaritätsbekundungen und Trauer für das Leid durch die pogromähnliche Gewalt würden wahrgenommen.

Die Erfahrungen mit Hilfen seien ambivalent. „Wir erleben einerseits, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Schoah einen festen Stellenwert im öffentlichen Bewusstsein hat“, sagte Welz: „Wir müssen aber gleichzeitig feststellen, dass die humanitäre Unterstützung für Überlebende und ihre Nachkommen, die mittelbar von den Menschheitsverbrechen der Schoah betroffen sind, vonseiten der deutschen Politik auch 78 Jahre nach der Befreiung keine Selbstverständlichkeit ist.“