Geburtstagsgruß an das 50 Jahre junge GEP

GEP-Direktor Jörg Bollmann
© epd-bild/Heike Lyding
Der Direktor des GEP, Jörg Bollmann, betonte in seiner Rede zum 50-jährigen Jubiläum des GEP, dass konstruktiver Journalismus nicht Halt vor kirchlichen Haustüren machen dürfe.
GEP-Direktor Jörg Bollmann
Geburtstagsgruß an das 50 Jahre junge GEP
Auf der Jubiläumsfeier 50 Jahre Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik hielten Kirchenpräsident Volker Jung, Aufsichtsratsvorsitzender des GEP, Christine Strobl, ARD Programmdirektorin, Bernward Loheide, Chefredakteur Katholische Nachrichten Agentur und Jörg Bollmann, Direktor des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik Festreden. Lesen Sie hier die Rede von Jörg Bollmann im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist das generelle Ziel der evangelischen Publizistik, das Evangelium mit den Instrumenten des Journalismus zu verkündigen. Wer einen solchen Satz sagt, provoziert sofort Widerspruch bei den Journalistinnen und Journalisten, die für die evangelische Publizistik, zum Beispiel im GEP, arbeiten. Ich habs im epd-Gespräch trotzdem riskiert und wiederhole es nochmal: Es ist das generelle Ziel der evangelischen Publizistik, das Evangelium mit den Instrumenten des Journalismus zu verkündigen.

Wie ist das gemeint? Zur Illustration lassen Sie mich aus der Fülle der Beiträge, Nachrichtenmeldungen, Posts, Filme, Fernsehbeiträge, Audios, Podcasts, Online-Beiträge, Bücher, die im Rahmen evangelischer Publizistik produziert, verbreitet, verkauft, gesendet werden, drei Beispiele rausnehmen. Nur drei. Und ich quotiere nicht nach Produkten – eins vom epd, eins von evangelisch.de, eins von epd Film, ein Filmchen von Eikon Nord, ein Podcast von yeet oder so. Nein, ich bin ganz ungerecht. Ich nehme zwei Beispiele aus dem evangelischen Magazin chrismon und eins aus dem JS Magazin für Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr. Willkürlich, aber einschlägig.

Beispiel eins. Das Massei-Mädchen Pendo lebt im nördlichen Tansania und hat einen 20 Kilometer langen Fußweg zur Schule. Den muss sie jeden Tag an Büffeln, Nashörnern, manchmal Hyänen vorbei gehen – hin und zurück. Danach noch im Haushalt helfen und am nächsten Tag wieder um 4 Uhr aufstehen. Das evangelische Magazin chrismon schreibt über Pendo im Jahr 2020 – das Mädchen war da 10 Jahre alt. chrismon erreicht mit jeder Ausgabe mehr als 1,4 Millionen Leserinnen und Leser, viele Menschen haben die Geschichte gelesen, viele wollten helfen. Auch Fred Heimbach, pensionierter Biologe, der mit seinem Verein Upendo Bildungsprojekte in Tansania fördert. Er macht sich einen persönlichen Eindruck vor Ort und registriert: Da kommen ihm und seinem Begleiter auf der Sandstraße nach Emboreet unzählige Kinder entgegen. Sie alle haben einen schier endlosen Schulweg! Und so drängt sich der Gedanke auf: "Wir bauen hier eine neue Schule." Und dann geht alles sehr schnell. Die deutsche Fly-&-Help-Stiftung sagt zu, den Bau mit 45 000 Euro zu fördern. Und was heißt das für Pendo? chrismon darf im Mai schreiben: Ihr Schulweg verkürzt sich auf dreieinhalb Kilometer. Wenn sie nun um sieben Uhr losgeht, schafft sie das locker. Übrigens: Pendo geht jetzt in die Pendo-Schule. Welch ein Glück für sie und all die anderen Kinder.

So geht konstruktiver Journalismus 

Eine schöne Geschichte der evangelischen Publizistik - so geht konstruktiver Journalismus. Eine Geschichte, in der konkret wird, wie Verkündigung des Evangeliums mit journalistischen Instrumenten funktioniert. Angesprochen wird unsere Nächstenliebe, unsere Barmherzigkeit. chrismon gibt Pendo eine so laute Stimme, dass sie im reichen Europa hörbar wird. So wirksam, dass wir uns am Ende der Geschichte ins Paradies des Happy Ends versetzt fühlen. Aber das Paradies hat uns Gott auf dieser Welt doch gar nicht versprochen. 

Und so reicht Beispiel eins nicht aus zur Illustration, was evangelische Publizistik leistet. Wir müssen auch auf die dunklen Seiten des Lebens schauen. Auch wenn Menschen zunehmend meldungsmüde werden und immer weniger Lust auf schlechte Nachrichten haben. Aber es gibt Ereignisse, die sich im Verborgenen abspielen, die ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden müssen.

Beispiel zwei, nicht ohne Vorwarnung: Ich mute Ihnen jetzt etwas zu. Die Geschichte von Pia liest sich ganz anders als die von Pendo. Zitat: Zieh dich aus. Sie musste sich vor den Fremden drehen, einer tatschte sie ab, dann gingen die Männer. Irgendwann kam einer wieder und nahm sie mit. Eine Kellertreppe hinunter, sie schlang ihre dünnen Ärmchen um das metallene Geländer, wurde weggerissen, fiel mit dem Kopf auf eine Stufe, lag auf einem Tisch, strampelte, wurde gefesselt. "Es fühlte sich an, als ob der Bauch bis zum Hals aufgerissen wird." So beschreibt es Pia.

chrismon-Reporterin Christine Holch hat das grausame Schicksal von Pia und Anne, deren Namen zu ihrem Schutz geändert worden sind, öffentlich gemacht. Weil Pia und Anne berichten wollten, was ihnen angetan wurde. Auch wenn es die beiden Frauen so viel Überwindung gekostet hat, die von chrismon gebaute Brücke in die Öffentlichkeit zu betreten. Wieviel Vertrauen in die Arbeit dieses evangelischen Magazins setzt das voraus! 

Die Wahrheit nicht verschweigen oder beschönigen

Die Geschichte von Pia und Anne ist schwer zu ertragen, aber hier geht es ganz und gar um Öffentlichkeit, um Fürsprache, um Barmherzigkeit, um Stimme geben. Konstruktiver Journalismus: Die Wahrheit nicht verschweigen oder beschönigen, auch in dem Bemühen, den Opfern durch Veröffentlichung zu helfen. Und immer wieder bemüht sein, Lösungswege aufzuzeigen, Hoffnung zu vermitteln. Glaube, Liebe, Hoffnung! An der Seite von gequälten Menschen zu stehen – so drückt sich christlicher Glaube konkret im Leben aus. Durch chrismon merken Pia und Anne, sie sind nicht allein. Allein deshalb gibt es Hoffnung, trotz all der furchtbaren Taten, die sie über sich ergehen lassen mussten. Ihre Geschichte kann trotz allen Schrecken auch anderen Menschen, die unter Gewalt und Missbrauch leiden mussten, Mut machen. Es kann Licht am Ende des Tunnels geben, auch für Pia und Anne, auch für ihre Leidensgenossinnen.

Evangelische Publizistik, konstruktiver Journalismus. Der natürlich im Rahmen evangelisch-publizistischer Berichterstattung nicht Halt machen darf vor kirchlichen Haustüren. Als Funktion der Kirche den Gliedern der Kirche zum Verständnis wichtiger Vorgänge in der Christenheit zu verhelfen, gehört zum Auftrag der evangelischen Publizistik. Was eine kritische Berichterstattung in schonungsloser und unabhängiger Offenheit über die Fehler und Schuld der Kirche ausdrücklich miteinschließt. Auch dafür steht die evangelische Publizistik.
Als, wie es in der GEP-Satzung steht, Funktion der Kirche, die in allen ihren Arbeitszweigen an der Erfüllung des Auftrags teilnimmt, dem Kirche verpflichtet ist. Ehrlich? Immer? Auch in Beispiel drei? 

Was steht da auf der Titelseite des JS Magazins für junge Soldatinnen und Soldaten in der September-Ausgabe? Orgasmen, so nehmen wir staunend zur Kenntnis, Orgasmen sind gesund und tun gut. Ah ja! Und weiter: Aber Frauen kommen beim Sex seltener.  Ach so. Und weiter: Das evangelische Magazin JS erklärt, wie es besser geht. Und JS erklärt, gründlich und ausführlich - auf den Seiten 22 bis 25 in Text, nicht ohne Bild. Ich erspare mir Details, aber ich empfehle, ganz ehrlich, die Lektüre. Das soll evangelische Publizistik sein? Oder haben wir uns grade im Cover verirrt – lesen wir gerade Bravo und nicht das JS Magazin? Doch, doch wir sind bei einem Produkt der evangelischen Publizistik. Das mit dem Titel ohne Zweifel nah bei den Interessen der Leserinnen und Leser ist – junge Soldatinnen und Soldaten, Menschen in ihren 20er Jahren.

"Es geht um Orientierung für die, die Orientierung benötigen und – ernsthaft – nachfragen."

Dem evangelischen JS Magazin geht es um Beziehung, um Nähe, ja, auch um Sex, aber vor allem um sorgsamen Umgang mit dem Nächsten oder besser der Nächsten, gerade in der intimsten Nähe zueinander. In keiner Zeile, auf keinem Foto läuft das JS Magazin in die voyeuristische Falle, im Mittelpunkt steht ernst gemeinte Lebenshilfe. Es geht um Orientierung für die, die Orientierung benötigen und – ernsthaft – nachfragen.

Beziehungsgeschichten im JS Magazin kratzen nicht an der Oberfläche, sondern klingen immer als Appell für den liebevollen, auch und gerade im intimsten Verkehr wertschätzenden Umgang mit dem Menschen, den ich liebe. In fürsorglicher Wahrnehmung der Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin. Wer Bundeswehr-Jargon in Nato-Pausen kennt, weiß, wie vor allem junge Männer häufig über das Thema Nummer eins sprechen. Diesem Jargon setzt das JS Magazin eine ernsthafte Mahnung zum sorgsamen Umgang miteinander entgegen. Indem es in der September Ausgabe auf den Seiten 22 bis 25 über die Explosivität intimer menschlicher Nähe schreibt, davor werden auf Seite 21 Fragen an den Pfarrer gestellt, danach finden wir auf den Seiten 26 und 27 die Reportage über eine evangelische Initiative, die junge und alte Menschen zusammenbringt. Die evangelische Herkunft und Identität des Printprodukts ist nicht überlesbar. 

2011 hat das JS Magazin den Kress Award für das beste Corporate-Media-Produkt des Jahres erhalten. In der Begründung der Jury heißt es: "Über dieses Magazin hat die Kirche die Chance, in der jungen Generation zu punkten. Es pflegt den offenen Umgang mit Leben und Sterben, ist innovativ in der Wortwahl und nie verkrampft." 

Wo finden jüngere Menschen Vorbilder für einen christlichen Lebensstil – das ist eine der Fragen, die sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in ihrer Tagung im November im Rahmen des Schwerpunktthemas stellen wird.
Unsere Antwort: Auch im evangelischen Magazin für junge Soldatinnen und Soldaten, auch und gerade in der Septemberausgabe 2023.

Ich wiederhole mich: Es ist das generelle Ziel der evangelischen Publizistik, das Evangelium mit den Instrumenten des Journalismus zu verkündigen. Die drei Beispiele illustrieren auf je andere Art und Weise, wie das gemeint ist. 50 Jahre Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik. Wir feiern zusammen mit all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, all den Kolleginnen und Kollegen, die außerhalb des GEP in der evangelischen Publizistik arbeiten, wir feiern zusammen mit unserer evangelischen Kirche, wir feiern zusammen mit unseren geschätzten Medienpartnern. 

Demokratie braucht Religion

Und wir feiern unsere Produkte und Dienstleistungen: epd, epd Film, epd medien, epd sozial, epd Dokumentation, chrismon, evangelisch.de, yeet, religionen-entdecken.de, ein-jahr-freiwillig.de, Basis:Kirche, die kirchlichen Hörfunk- und Fernsehsendungen an der Seite unserer öffentlich-rechtlichen und privaten Partner, die filmkulturelle Arbeit, das Evangelische Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit in Kooperation mit Brot für die Welt.
Die Fastenaktion 7 Wochen Ohne, der Gemeindebrief, die Firmen, an denen wir beteiligt sind. Matthias Film, Eikon, Evangelische Verlagsanstalt, die Fundraising Akademie, BibelTV, Radio Paradiso. Alle Mitglieder des Evangelischen Medienverbands in Deutschland an unserer Seite.

Ich bin nicht vollständig – bei weitem nicht. Welch eine Vielfalt! Welch ein kultureller Reichtum! Was würde dieser Gesellschaft fehlen, wenn das alles wegfiele. Wenn das alles mit den Kirchen aus unseren Dörfern verschwinden würde. Nein, bitte, lassen wir die Kirche im Dorf! Um Gottes willen. 

Demokratie braucht Religion. Schreibt der Soziologe Hartmut Rosa in seinem kleinen Büchlein auf wenig mehr als 70 Seiten. Rosa definiert die Ermöglichung von Resonanz als eine wesentliche Voraussetzung für Demokratie. Wer das leisten kann? Rosa sagt es im Titel: Demokratie braucht Religion. Meine These zum Schluss, als Geburtstagsgruß an das 50 Jahre junge GEP: Demokratie braucht Medienvielfalt, Medienvielfalt braucht evangelische Publizistik. 

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik. Auf ein langes weiteres Leben!