Notfallmediziner plädiert für Vermittlung von "Drogenkompetenz"

Notfallmediziner plädiert für Vermittlung von "Drogenkompetenz"

Bremen, Rostock (epd). Der Rostocker Notfallmediziner Gernot Rücker plädiert für eine Neubewertung des Drogenkonsums und eine Vermittlung von „Drogenkompetenz“. „Wir müssen Kenntnisse über die Substanzen erlangen und neu bewerten, was gefährlich ist und was ungefährlich“, sagte der Leiter des Notfallausbildungszentrums der Uniklinik Rostock dem Bremer „Weser-Kurier“ (Sonnabend).

Zugleich kritisierte Rücker, dass Alkohol die einzige gesellschaftlich legitimierte Rauschsubstanz sei, obwohl er weitaus gefährlicher sei als andere Drogen. „Man kann sich jedoch mit mehr als 1.000 verschiedenen Substanzen berauschen. Die Mehrheit der in Deutschland gängigen 50 sind sogar sicherer als Alkohol“, betonte Rücker. Allerdings werde seit Jahrzehnten jede Droge außer Alkohol als Teufelszeug verdammt - „ohne eine wissenschaftliche Grundlage, ohne Daten zu sammeln, ohne diese Einschätzung zu überprüfen.“

Rücker erläuterte, der Rausch erfülle in einer „Turboleistungsgesellschaft“ eine Ventilfunktion. „Wir sind hochreguliert, von der Gesellschaft, vom Gesetz. Deshalb muss sich der Mensch Räume schaffen, wo er seine ständige Selbstkontrolle runterfahren kann“, sagte der Arzt. Bei vielen Konsumenten von Freizeitdrogen funktioniere das ganz gut. Fatal seien aber Alltagsdrogen, „weil sie den Menschen vorgaukeln, mit ihren Problemen klarzukommen. Mit ihnen bringt man dann die Leistung, die von einem verlangt wird, oder man entkommt damit vermeintlich dem Druck“.

Der Mediziner betonte, es sei in Deutschland nach Jahrzehnten „Ideologie und Ablehnung extrem schwierig“ einmal verhängte Drogenverbote aufzuheben. „Die Deutschen sind, was das angeht, ein sehr kontrolliertes und nur schwer belehrbares Volk, völlig drüber“, sagte Rücker.