"1,5-Grad-Ziel politisch nicht mehr zu schaffen"

© Petros Giannakouris/AP/dpa
Ein Wald steht am 25. Juli 2023 in Flammen im Dorf Vati, Griechenland. Für den Klimaforscher Rahmstorf fehlt es nicht an Lösungen die 1,5 Grad Grenze zu einzuhalten, sondern am Willen. (Symbolbild)
Klimaforscher Stefan Rahmstorf
"1,5-Grad-Ziel politisch nicht mehr zu schaffen"
Die allermeisten Regierungen sähen darin keine Top-Priorität - auch Deutschland nicht, sagt der PIK-Wissenschaftler Rahmstorf. Der neue Chef des Weltklimarats Skea warnt derweil davor, "in Schockstarre zu verfallen".

Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf hält eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad für politisch kaum mehr erreichbar. Die allermeisten Regierungen sähen darin keine Top-Priorität, sagte der Professor an der Universität Potsdam im Deutschlandfunk: "So werden wir es auf keinen Fall schaffen." Der neue Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, Jim Skea, nannte das im Pariser Klimaabkommen festgelegte Ziel "unglaublich symbolträchtig. Trotzdem sollten wir nicht verzweifeln und in eine Schockstarre verfallen, wenn die Welt die 1,5 Grad überschreitet".

Rahmstorf, der auch am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) arbeitet, betonte: "Physikalisch kann man es noch erreichen, aber dazu müsste man es eben anpacken, wie, wenn man in einer Kriegssituation ist". Es fehle nicht an Lösungen, sondern am Willen. Vielen Politikern sei die Dringlichkeit der Lage noch immer nicht klar, sie informierten sich nicht ausreichend. Nach Versäumnissen in vorangegangenen Regierungen behandle nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema nicht mit Priorität, kritisierte Rahmstorf nach Angaben des Deutschlandfunks im "Interview der Woche".

IPCC-Chef Skea sagte dem "Spiegel", die Welt werde nicht untergehen, wenn es um mehr als 1,5 Grad wärmer werde. "Es wird jedoch eine gefährlichere Welt sein. Die Länder werden mit vielen Problemen kämpfen, es wird soziale Spannungen geben", mahnte der britische Physiker und rief zum Handeln auf: "Jede Maßnahme, die wir ergreifen, um den Klimawandel abzuschwächen, hilft." Es gehe nun darum, "noch Schlimmeres zu verhindern."

Dabei sei individueller Verzicht zwar gut, doch werde dieser allein nicht einen Wandel in der nötigen Größenordnung herbeiführen können. "Damit wir klimabewusster leben können, brauchen wir eine ganz neue Infrastruktur", sagte Skea. Längerfristig werde die Welt wahrscheinlich auch nicht auf technologische Lösungen wie die unterirdische Speicherung von CO2 verzichten können.
Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sah vor, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter 2, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.