Kramer: Viele Covid-Maßnahmen fürchterlich übertrieben

Open-Air Christvesper in Hamburg
© epd-bild/Stephan Wallocha
Aufgrund der Infektionszahlen etwa im Dezember 2020 wurde das Angebot von Open-Air Christvespern und Gottesdiensten vor Ort stark eingeschränkt, und die Teilnehmerzahlen wurden begrenzt.
Kritik von Bischof Kramer an Politik
Kramer: Viele Covid-Maßnahmen fürchterlich übertrieben
Teile der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland sehen drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie die getroffenen politischen Entscheidungen kritisch. Viele Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit seien fürchterlich überzogen gewesen, sagte der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer.

Landesbischof Friedrich Kramer von der EKM äußerte sich am Dienstagabend im Rahmen einer Diskussionsrunde der Internationalen Martin Luther Stiftung in Erfurt. Er räumte ein, dass der Erkenntnisstand ein anderer sei als zu Beginn der Pandemie.

Landesbischof Kramer warnte vor Pauschalurteilen. Kritische Stimmen, auch aus seiner Kirche, seien medial nicht durchgedrungen. Es habe in der EKM schöne Momente, aber auch Totalversagen gegeben. So sei einerseits mehr Zeit für seelsorgerische Gespräche gewesen. Andererseits seien einige Kirchen ohne Not wochenlang geschlossen worden. Die Entscheidungen hätten in der Freiheit der evangelischen Gemeinden gelegen.

Kramer beklagte zudem, die EKM sei schon während der Pandemie "in böser, kirchenhasserischer Absicht" angegriffen worden. Tatsächlich habe die Landeskirche Landräten widersprochen, die Gotteshäuser schließen wollten. Auch seien die Kirchen recht schnell wieder geöffnet worden. Und es seien Künstler eingeladen worden, beim Gottesdienst aufzutreten, weil es sonst keine Möglichkeiten für sie gegeben habe.

Der Leipziger Theologe Rochus Leonhardt kritisierte eine fast schon sakrale Verklärung der Impfung von Teilen der Kirche während der Pandemie. In Einzelfällen sei in nicht angemessener Weise sogar "von der Heiligen Spritze" gepredigt worden.

Der Theologe und Vorstand der Martin Luther Stiftung, Thomas Seidel, stellte fest, dass Schweden mit seiner Politik der Vermeidung von Lockdowns rückblickend besser durch die Pandemie gekommen sei. Trotzdem sei insbesondere in den deutschen Medien dieser politische Ansatz vorschnell als falsch dargestellt worden.

Die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) beklagte Ausgrenzungen in der damaligen Debatte. "Ich wundere mich, wie bis dahin anerkannte Wissenschaftler über Nacht als Spinner beschimpft wurden, weil sie aus ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis heraus der Mehrheitsmeinung nicht folgen mochten", sagte die frühere Pfarrerin. Groß sei nun die Angst vieler Menschen, die Mechanismen der Pandemiebekämpfung könnten sich auch auf anderem Gebiet wiederholen.