"Ärzte ohne Grenzen" beklagt zunehmende Bedrohung

Parnian Parvanta und Christian Katzer von Ärzte ohne Grenzen
© Wolfgang Kumm/dpa
Parnian Parvanta, stellvertretende Vorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen", und Geschäftsführer Christian Katzer beklagen eine zunehmende Einschränkung und Bedrohung der Arbeit der Mediziner:innen.
Angriffe auf Krankenhäuser
"Ärzte ohne Grenzen" beklagt zunehmende Bedrohung
Unter zum Teil schwierigsten Bedingungen versorgen Medizinerinnen und Mediziner von "Ärzte ohne Grenzen" Patienten. Die Hilfsorganisation verzeichnet in Deutschland einen Spendenrekord. Weltweit erschweren zunehmende Krisen die Arbeit.

"Ärzte ohne Grenzen" beklagt eine zunehmende Einschränkung und Bedrohung der eigenen Arbeit. Restriktive Gesetzgebungen sowie Angriffe auf Krankenhäuser und humanitäres Personal erschwerten unabhängige medizinische Versorgung, kritisierte die deutsche Sektion der Hilfsorganisation am Mittwoch in Berlin. "Das hat katastrophale Konsequenzen für die zivile Bevölkerung", sagte der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen", Christian Katzer.

Die deutsche Sektion der Hilfsorganisation nahm im vergangenen Jahr 268,5 Millionen Euro an Spenden ein. Das seien 52,5 Millionen Euro mehr als im Vorjahr 2021 und damit ein Rekord, hieß es bei der Vorstellung des Jahresberichts. Die Ausgaben von 262,2 Millionen Euro seien zu rund 85 Prozent in die Projekte vor Ort geflossen.  Allein 22 Millionen Euro gingen demnach in den Jemen, mehr als in jedes andere Land.

Vor dem Treffen der EU-Innenministerinnen und -minister am Donnerstag in Luxemburg äußerte sich "Ärzte ohne Grenzen" besorgt über mögliche Auswirkungen der geplanten Reform des europäischen Asylrechts. "Die Pläne, die eventuell verabschiedet werden, werden die Lage eher noch verschärfen", sagte Katzer. Die Organisation beobachte seit Jahren, "wie Menschen an den EU-Grenzzäunen im Wald erfrieren, im Mittelmehr ertrinken, illegale Pushbacks stattfinden und vulnerable Menschen in haftähnlichen Camps an den EU-Außengrenzen ausharren".

Vor dem Hintergrund, dass viele Menschen bereits jetzt vor den Auswirkungen der Erderwärmung fliehen, bezeichnete Katzer die Klimakrise auch als Gesundheits- und humanitäre Krise: "Die humanitären Bedürfnisse weltweit werden mit dem Fortschreiten der Klimakrise weit über das hinauswachsen, was wir und andere humanitäre Nothilfeorganisationen kennen und bewältigen können."

Die Teams der Organisation beobachten demnach in den Projekten bereits jetzt gesundheitlichen Folgen der Erderwärmung für die Menschen. "Steigende Temperaturen, ausbleibende Regenzeiten und immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie Wirbelstürme und Überschwemmungen haben direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit", sagt der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen". Zudem verschärfe die Klimakrise bereits bestehende Probleme. 

Besorgt äußerte sich die Hilfsorganisation über die Lage der Frauen insbesondere in Afghanistan. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen" Deutschland, Parnian Parvanta, warnte vor einem drohenden Mangel an weiblichem medizinischem Personal. Frauen und Mädchen dürften dort keine weiterführenden Schulen und Universitäten mehr besuchen. "Momentan können in Afghanistan Frauen oft nur von Frauen behandelt werden", sagte Parvanta. Wenn es kein ausgebildetes weibliches Personal mehr gebe, könnten sie gar nicht behandelt werden.

Parvanta kritisierte Überlegungen von Geberstaaten, in einer der schlimmsten humanitären Notlagen die Hilfsmittel für Afghanistan zu kürzen. Im Jemen verschärfen laut Katzer bereits jetzt Mittelkürzungen die Lage. Als Folge wendeten sich immer mehr Menschen an die Einrichtungen von "Ärzte ohne Grenzen".