Naturschützer sorgen sich um den Star

Stare auf der Leitung sitzend
© epd-bild / Anton Luhr
Der Vogel des Jahres 2018 findet nicht mehr genug Bruthöhlen, weil immer mehr alte Bäume gefällt werden. Aber das ist nur ein Grund für sein Verschwinden.
Insektensterben gefährdet Vogelbestand
Naturschützer sorgen sich um den Star
In Deutschland gibt es immer weniger Stare. Den Allerweltsvögeln fehlen die Bruthöhlen - und die Insekten als Nahrung. Gärtner können ihnen mit Starenkästen helfen.

Sein lila-grünliches Hochzeitsgewand über dem wie mit Perlen besetzten Gefieder macht ihn unverkennbar: Jetzt im Frühjahr schimmern die normalerweise dunklen Federn der Stare ganz besonders. Der Star gilt als schlau und verspielt, eine gesellige Quasselstrippe, ein Multitalent als Flieger und Sänger. Aber er steht als "gefährdet" auf der Roten Liste bedrohter Tierarten in Deutschland.

"Dem Star geht es schlecht", sagt der Ornithologe Marco Sommerfeld vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Hamburg. "Hier ist die Starenpopulation binnen 15 Jahren um 40 Prozent zurückgegangen, und zwar flächendeckend." In Deutschland leben nach Nabu-Angaben etwa 2,8 bis 4, 5 Millionen Brutpaare. Das seien zwei Millionen Paare weniger als vor 20 Jahren. "Seine bevorzugten Lebensräume werden immer kleiner", erklärt Sommerfeld.
Stefan Stübing von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) bestätigt: "Der Gesamtbestand nimmt stark ab." Der Vogel des Jahres 2018 finde nicht mehr genug Bruthöhlen, weil aus Verkehrssicherheitsgründen immer mehr alte Bäume gefällt würden. "Auch die Obstwiesen mit den alten Hochstämmen und ihren Astlöchern sind reduziert worden."

Gelegentlich brüten Stare auch unter losen Dachziegeln. Aber das geht nur in alten und unsanierten Gebäuden. Gelegentlich, sagt Sommerfeld, fänden die Stare Zuflucht in Höhlen, die von Buntspechten in die Wärmedämmverbundsysteme von Häusern gehackt würden. Hamburg habe 2018 ein Nistkastenprogramm für Stare aufgelegt. Auch Stübing wirbt für Nistkästen in sechs Metern Höhe und mit Waschbärschutz.

Der Grund für den dramatischen Rückgang des einheimischen Singvogels ist das Insektensterben aufgrund des hohen Pestizid-Einsatzes.

Doch als "eigentlichen Grund für den dramatischen Rückgang" nennt Stübing das Insektensterben. Der Star ernährt sich und seine Jungen mit Insekten. "Er braucht Wiesen und Weiden, also Grünland, aber die Pestizide der intensiven Landwirtschaft machen auch den Würmern und Käfern den Garaus", sagt Sommerfeld. Ganz zu schweigen von den schwindenden Feldgehölzen und Hecken.

Dabei wissen es Förster und Landwirte eigentlich zu schätzen, dass der Star nach den Larven von Eichenwicklern und Wiesenschnaken im Erdboden "zirkelt". Winzer und Obstbauern sehen Starenschwärme hingegen eher als Plage, wenn sie in ihre Weinberge und Kirschplantagen einfallen.

Dichter haben den "geschwätzigen" Vogel schon immer als Wahlverwandten geliebt. In Gottfried Kellers Roman "Der grüne Heinrich" tröstet ein Star den Titelhelden über seinen Liebeskummer hinweg. "Dortchen?" neckt der Vogel vom Ast herab. "Dortchen ist nicht hierchen", jammerte der Verliebte zurück.

Stare können nicht nur Laute der lokalen Geräuschkulisse wie Autohupen und Handytöne nachahmen, sondern auch Worte nachsprechen. Deshalb wurden sie früher gern in Käfigen gehalten.

Sie können auch zweistimmig singen: in der Oberstimme legato, in der Unterstimme staccato, wie der Biologe Cord Riechelmann in seinem Buch über "Wilde Tiere in der Großstadt" berichtet. Zwei Membranen, die gleichzeitig und unabhängig voneinander schwingen, machen es möglich.

Je variabler der Gesang eines Starenmannes, desto größer sind seine Chancen zur Fortpflanzung: Weibliche Stare reagieren darauf, wenn sie mit Trillern und Koloraturen, dem Klang von Froschquaken und Hundebellen, Martinshörnern oder Sirenen umworben werden.

Auch der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart wusste die Stare zu schätzen. Nach drei gemeinsamen Jahren spendierte er seinem Käfig-Star ein öffentliches Begräbnis und widmete ihm eine kurze Elegie: "Hier ruht ein lieber Narr/Ein Vogel Star."

Mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 80 Kilometern pro Stunde gehören Stare zu den rasantesten Fliegern unter den Vögeln. Sie werden zu Kunstfliegern, wenn sie beispielsweise in Schwärmen einen Wanderfalken bei seiner Jagd verwirren wollen, damit er keinen Einzelvogel zu fassen kriegt. Wie schaffen sie es, am Himmel nicht miteinander zu kollidieren?

Der Berliner Verhaltensökologe Jens Krause, der an Schwarmintelligenz forscht, erläutert seine "Drei-Zonen-Theorie" so: Ein Abstand von mindestens 50 Zentimetern zwischen den einzelnen Vögeln verhindere Kollisionen, eine etwas weitere Orientierungszone halte die Stare beieinander, damit sie gemeinsam reagieren können, und eine sogenannte Attraktionszone ermögliche dem Schwarm eine gemeinsame Ausrichtung.

Der Klimawandel kommt den Staren entgegen. Die milden Winter lassen sie oft erst spät aufbrechen oder früher zurückkehren. Ende Februar hörte man sie schon im Geäst eines Frankfurter Parks. Sie müssen auch nicht mehr unbedingt bis ans Mittelmeer fliegen. "Viele fliegen nur noch bis England", sagt Sommerfeld. Und Stübing ergänzt: "Der Star ist dabei, ein Standvogel zu werden."