TV-Tipp: "Hannes Jaenicke im Einsatz für Meeresschildkröten"

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9. Mai, ZDF, 22.15 Uhr
TV-Tipp: "Hannes Jaenicke im Einsatz für Meeresschildkröten"
Nach vierzehn Dokumentationen über bedrohte Tierarten liegt die Frage nahe: Gibt es eine Art, die Hannes Jaenicke besonders ans Herz gewachsen ist?

Die diplomatische Antwort des Schauspielers lautet: "Meine Lieblingstierart ist immer die, über die wir gerade unsere Filme machen"; zur Zeit also Meeresschildkröten. Der gebürtige Frankfurter (63) hat mittlerweile mehr Auszeichnungen für sein ökologisches Engagement als für seinen Brotberuf bekommen. Die stets in Zusammenarbeit mit Eva-Maria Gfirtner und Judith Adlhoch (Buch und Regie) entstandenen Beiträge für die ZDF-Reihe "Im Einsatz für…" (Eisbären, Elefanten, Löwen, Delfine, Wölfe etc.) sind dank seiner Mitwirkung als Plädoyer für Umwelt- und Naturschutz höchstwahrscheinlich effektiver als alle Broschüren und Appelle.

Im vergangenen Jahr hat Jaenicke gemeinsam mit dem Journalisten Fred Sellin in dem Buch "Die große Sauerei" aufgedeckt, "wie Agrarlobby und Lebensmittelindustrie uns belügen und betrügen" (Yes-Verlag). Die Ausführungen sind geprägt von einem fast schon heiligen Zorn. Auch der Tonfall der Reihe hat sich verändert, zumal seit dem ersten Film über die Orang-Utans (2008) 15 Jahre vergangen sind. Seither hat sich die Gesamtlage drastisch verschärft. Deshalb wandelt sich die Dokumentation über die Meeresschildkröten schließlich in eine Anklage nicht nur gegen die Wirtschaft und ihre "gut geölte Plastiklobby", sondern auch gegen die Politik: weil sie nicht verhindere, dass immer mehr Plastik hergestellt wird, das in die Meere gelangt, wo es sich zersetzt, von Fischen gefressen wird und schließlich auf unserem Teller landet. 

Zu den Stationen, die Jaenicke im Rahmen des Films aufsucht, gehört auch ein Labor in Florida, das sich auf die Erforschung einer rätselhaften Schildkrötenkrankheit spezialisiert hat. Es handelt sich um eine durch Viren verursachte Krebserkrankung. Die von Wucherungen übersäten Körper der Tiere sind kein schöner Anblick, aber die Reihe ist bekannt dafür, auch grausige Bilder zu zeigen, um aufzurütteln. Eine düster verfremdete Collage, die unter anderem einen Menschen mit Mund/Nasenschutz zeigt, weckt Assoziationen zur Corona-Pandemie, auf die auch Jaenickes Kommentar anspielt. "Krankheiten, die sich in einem gestörten Klima ausbreiten, Viren, die sich unkontrolliert vermehren: Kommt uns das nicht bekannt vor?" Mit der rhetorisch klingenden Frage, ob wir die Nächsten seien, sind Film und "Presenter" beim eigentlichen Thema: "Wann verstehen wir endlich, dass alles, was wir unseren Mitlebewesen antun, wir uns am Ende selbst antun?!" Vor unseren Augen vollziehe sich das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier: Jeden Tag verschwänden 150 Arten von der Erde; für immer. 

Die Meeresschildkröten sind also im Grunde Zeuginnen der Anklage. Letztlich soll der Film dem Publikum klar machen, was tatsächlich auf dem Spiel steht: "unser eigenes Artensterben". Deshalb geht es zwar in erster Linie um die Tiere, aber stets mit Bezug auf ihren Feind, den Menschen. Ein Video der Meeresbiologin Christiane Figgener, die seit 15 Jahren das Leben der Schildkröten vor der Küste Costa Ricas erforscht, hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Diskussion über das Verbot von Plastikstrohhalmen: Der millionenfach aufgerufene kurze Film zeigt, wie sie eine Meeresschildkröte von einem Strohhalm befreit, der tief im Nasenloch des Tiers steckt. Die Aufnahme weckt ein außerordentliches Unbehagen, aber sie veranschaulicht konkret, wie sich unser Konsumverhalten auf die Natur auswirkt. In Kenia stellt Jaenicke Männer vor, die das Treiben von Wilderern beenden wollen. Die Einheimischen schreiben den Suppen, die selbst aus kleinen Schildkröten gekocht werden, heilende Kräfte zu. Kein Grund für Hochmut: Schildkrötensuppe galt auch bei uns lange Zeit als Delikatesse.

Natürlich bieten Jaenicke, Gfirtner und Adlhoch neben anschaulichen Grafiken etwa über die Evolution dieser Meeresbewohner in den letzten 150 Millionen Jahren auch die zu erwartenden Bilder: frisch geschlüpfte winzige Kröten, die über den Strand Richtung Meer wuseln, und eindrucksvolle Unterwasseraufnahmen der scheinbar tiefenentspannt und majestätisch dahin gleitenden Tiere. Einem sehr seltenen Exemplar ist Jaenicke beim Tauchen begegnet; ein garantiert unvergessliches Erlebnis. Kein Wunder, dass er den Film mit Zuversicht beenden wollte: Wenn die Wende jetzt gelinge, sagt der renommierte Ozeanograf Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit hoffnungsvollem Blick auf exponentiell wachsende Lösungen, dann sei dies "gerade noch rechtzeitig".