Amokschütze hatte offenbar religiöse Motive

Einschussloch in der Tür des Gebetshauses
© Marcus Brandt/dpa
Blumen und Kerzen liegen vor dem Eingangsbereich des Gebäudes in dem der 35-jährige Philipp F. sieben Menschen erschossen hat, darunter ein ungeborenes Kind.
Ehemaliger Zeuge Jehovas
Amokschütze hatte offenbar religiöse Motive
Anfang März tötete ein Amoktäter sieben Menschen in einem Hamburger Gebetshaus und anschließend sich selbst. Nun geben Ermittlungen Aufschluss über sein mutmaßliches Motiv.

Der Hamburger Amokschütze hatte offenbar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Dies geht nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) aus einem zweiten Experten-Gutachten hervor, das die Ermittler zur Amoktat in einem Hamburger Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Auftrag gegeben hatten. "Zeit online" hatte zuerst über das Gutachten des Psychiaters Christoph Lenk berichtet. Grundlage für seine Einschätzung ist das Buch, das der mutmaßliche Täter Philipp F. im Dezember 2022 veröffentlicht hatte.

Allein aus dem Buch lasse sich den Informationen zufolge aber keine Gefährdung für die Allgemeinheit ableiten. Es gilt als gesichert, dass F. am 9. März in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Groß Borstel sieben Menschen erschoss, bevor er auch sich selbst tötete. F. soll ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen sein.

Gutachter Lenk spricht den Informationen zufolge in Bezug auf F. von einem normal intelligenten Menschen, der sehr wahrscheinlich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorwiegend mit narzisstischen Anteilen hatte. Neben der narzisstischen Störung hinterlässt F. dem Gutachten zufolge das Bild eines religiös verblendeten Menschen, der geglaubt habe, für die komplexen Probleme unserer Welt einfache Lösungen zu finden. Dennoch soll er der Einschätzung zufolge in vollem Bewusstsein gehandelt haben.

Hinweise auf eine andere psychische Erkrankung seien in dem Buch dagegen ebenso wenig zu erkennen wie ein Hass auf Frauen oder sonstige Gruppen, hieß es. Auch sah Lenk bei F. keine Hinweise auf eine Drogensucht.
Die Hamburger Polizei hatte Medienberichten zufolge Anfang des Jahres eine Warnung erhalten, F. sei psychisch krank und gefährlich. Das Buch des 35-Jährigen hatte die Waffenbehörde im Internet zwar gefunden, aber offenbar nicht genauer geprüft.

Einem weiteren Gutachten zufolge hatte F. offenbar religiöse Motive. Dies geht nach epd-Informationen aus einem Gutachten des Londoner Extremismusforschers Peter Neumann hervor. Neumann kommt darin zu der Einschätzung, dass F.s Buch "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und den Satan" vorrangig religiöse Züge habe. So richte sich dessen Zorn in erster Linie gegen christliche Religionsgemeinschaften. Damit ließen sich demnach sowohl das Tatmotiv als auch das Anschlagsziel schlüssig erklären.

Doch die Zeugen Jehovas würden in dem Buch nicht genannt. Zudem rufe F. an keiner Stelle zu Gewalt auf oder billige den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung ideologischer Ziele. Des Weiteren ergäben sich keine Rückschlüsse auf eine rechtsextreme Gesinnung des mutmaßlichen Täters. Die Ansichten im Text seien teils widersprüchlich, könnten mitunter auch als anti-demokratisch verstanden werden, hieß es. Dies reiche in der Gesamtschau jedoch für eine Einstufung als politischer Extremismus nicht aus.

Waffenbesitzer sollen nach Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) künftig bei Verdacht einer Gefährdung die Waffe vorübergehend abgeben müssen. Ihr Ministerium prüfe zudem, wie man Behörden zu Internetrecherchen verpflichten kann, wenn es entsprechende Hinweise auf Gefährdungen gibt, sagte sie dem Nachrichtenportal "t-online" (Mittwoch). Außerdem soll der Zeitraum verlängert werden, der vor Erteilung einer Waffenbesitzkarte überprüft wird.