TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Weichende Erben"

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9. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Weichende Erben"
Im wahren Leben kommt es vermutlich öfter vor, dass verheiratete Paare die Nächte nach diversen Ehejahren in unterschiedlichen Zimmern verbringen. Im TV-Krimi gelten getrennte Betten dagegen als untrügliches Zeichen für Beziehungsprobleme, Schnarchen hin oder her.

Als eine Frau ermordet aufgefunden wird, verdächtigen Sonja Schwarz (Chiara Schoras) und ihr Kollege Jonas Kerschbaumer (Gabriel Raab) daher prompt erst mal den Ehemann. Die Zeuginnen, die Bruno Pfister (Sebastian Gerold) benennt, sind keine große Hilfe: Zum Zeitpunkt des Todes seiner Frau Therese hat der Bauer die Kühe gefüttert. Auch der weitere Verlauf dieses siebzehnten "Bozen-Krimis" ist zunächst nicht weiter überraschend: Die Befragung von Brunos Bruder (Jan Messutat) und das Verhalten von dessen Gattin Marie (Magdalena Schwellensattl) lassen keinen Zweifel daran, dass Gernot Pfister ein Verhältnis mit seiner Schwägerin hatte. Somit gesellen sich zum Witwer noch zwei weitere Verdächtige: Gernot führt ein feudales Skihotel, das jedoch seiner Frau gehört. Therese wollte nicht länger bloß die Geliebte sein, doch eine Scheidung hätte Gernot um seine Existenz gebracht; aber vielleicht hat auch seine Frau die Nebenbuhlerin aus dem Weg geräumt.

Bis zu diesem Zeitpunkt würde die Handlung von "Weichende Erben" gerade mal für eine Vorabendepisode genügen. Tatsächlich wird die Geschichte inhaltlich und darstellerisch erst interessant, als Thereses Bruder ins Spiel kommt und Drehbuchautor Mathias Klaschka die Erklärung für den seltsamen Titel liefert. Er bezieht sich auf eine Tiroler Tradition, die seit vielen Generationen gilt: Damit ein Hof erhalten bleibt, darf er nur einem der Nachkommen vermacht werden, in der Regel dem ältesten Sohn; die anderen Erben müssen "weichen" und werden mit einer symbolischen Summe abgespeist. Johannes Karner (Oliver Mommsen) hat also den Obsthof übernommen, seine Schwester Therese und ihren Mann jedoch stets unterstützt und im Lauf der Jahre viel Geld in den offenbar ständig von der Pleite bedrohten Pfister-Hof investiert. Außerdem bringt Klaschka noch ein weiteres regionales Detail ins Spiel: Der Mann, der Thereses Leiche entdeckt, Urban Mazur (Saro Emirze), ist als "Waaler" dafür zuständig, dass das Wasser, mit dem die Plantagen und Weinberge versorgt werden, ungehindert durch die Kanäle fließen kann. Das ist offenkundig ein schöner Beruf: Es ist Sommer, Urban streift mit seinem Hund durch die Gegend, reinigt hier eine Schleuse, stellt dort eine Weiche. Trotzdem ist er alles andere als ein fröhlicher Mensch, und das nicht nur, weil er die ertränkte Therese gefunden hat. Er ist auf dem Karner-Hof aufgewachsen, sie war wie eine Schwester für ihn, und jetzt entwickelt sich der Film doch noch zu einem halbwegs fesselnden Familiendrama; erst recht, als nach dem Brand auf dem Obsthof eine weitere Leiche entdeckt wird, die dort allerdings bereits seit zehn Jahren liegt.

Dank der diversen auch durch entsprechende Rückblenden illustrierten Ausflüge in die Vergangenheit erhält "Weichende Erben" eine etwas größere Komplexität, aber Klaschka, Autor auch der letzten Episode aus Bozen, steht dank seiner Drehbücher für die ohnehin weitaus anspruchsvolleren ZDF-Reihen "Kommissarin Heller" und "Solo für Weiss" für eine ganz andere Qualität. Die Umsetzung der Vorlage treibt den Puls ebenfalls nicht in die Höhe, selbst eine heftige Schlägerei zwischen den Brüdern ist nicht weiter aufregend, und wer genau hinschaut, wird früh ahnen, warum Pfisters Hof notorisch pleite ist.

Sabine Derflinger hat unter anderem zuletzt fürs Kino einen Dokumentarfilm mit und über Alice Schwarzer gedreht ("Alice", 2022), der deutlich kurzweiliger war; und ihr Zweiteiler "Süßer Rausch" (2022, ZDF) über eine venezianische Familie, die eine Traditionsbrennerei betreibt, war zumindest süffig. Ihr erster "Bozen-Krimi" ist zwar routiniert inszeniert, aber insgesamt recht spannungsarm. Da Klaschkas konventionelles Befragungskonzept zur Folge hat, dass Schwarz regelmäßig von einem Verdächtigen zum nächsten fährt, gibt es allerlei Drohnenflüge über saftig grüne Sommerwiesen, das ist immerhin hübsch anzuschauen; und die Szenen mit dem etwas schlichten, aber harmlosen Urban ("Das Wasser ist immer") und seinem bestens geführten kontaktfreudigen Vierbeiner Jacek, laut Tiertrainer  Christoph Kappel  "eine Mischung aus spanischer Straßenhündin und Kromfohrländer", sind ebenso sympathisch wie die subtile Romanze, die der Film dem schrulligen Waaler gönnt.