Polizei räumt letztes Haus in Lützerath

© epd/Guido Schiefer
Im rheinischen Braunkohlerevier ist am 13. Januar 2023 die Räumung des vor der Abbaggerung stehenden Dorfes Lützerath fortgesetzt worden. Verzögerungen können sich durch eine unterirdische Tunnelanlage ergeben, die die Polizei am Donnerstagnachmittag in der Nähe eines Gebäudes gefunden hatte.
Immer noch Aktivisten im Tunnel
Polizei räumt letztes Haus in Lützerath
In dem vom Abriss bedrohten Dorf Lützerath ist am Freitag das letzte Haus von der Polizei geräumt worden. Für Samstag ist eine Groß-Demo geplant, zu der rund 10.000 Menschen erwartet werden - darunter auch Greta Thunberg.

Bei der Räumung des letzten besetzten Hauses wurden auch Molotow-Cocktails und Pyrotechnik sichergestellt, wie eine Sprecherin der Polizei dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Abend sagte. Zuletzt hatten sich auf dem Dach noch zwei Menschen aufgehalten. Zudem mussten am Abend noch Personen aus Baumhäusern geholt werden. Die Situation sei am dritten Tag der Räumung "relativ ruhig" geblieben, hieß es. Allerdings band eine Demonstration mit bis zu 200 Personen am Freitagnachmittag einen Teil der Einsatzkräfte. Die Teilnehmer waren aus Richtung Keyenberg nach Lützerath aufgebrochen.

Weiterhin unklar war am Abend, wie die Polizei mit den beiden Personen verfahren soll, die sich in einem unterirdischen Tunnelsystem unter dem Ort befinden. "Es haben Gespräche stattgefunden", erklärte ein Polizeisprecher. Allerdings zeigten die Aktivisten bislang keine Bereitschaft, den in etwa vier Meter Tiefe gelegenen Tunnel zu verlassen. Die beiden Personen werden vorsorglich mit Sauerstoff versorgt, das Technische Hilfswerk ist zur Unterstützung im Einsatz. Derzeit ist nach Angaben der Polizei noch unklar, wie umfangreich das Tunnelsystem ist und ob sich dort möglicherweise weitere Menschen aufhalten. Der Sprecher bezeichnete die Situation als "verzwickt".

Auf die oberirdische Räumung habe die Aktion bislang aber keine Auswirkungen.
Bis Freitagabend haben nach Polizeiangaben rund 470 Personen das besetzte Lützerath verlassen - 320 freiwillig, 150 mussten von der Polizei weggetragen oder fortgeführt werden. Gegen mindestens sechs Personen wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung Anzeige erstattet. Einsatzkräfte waren zuvor wiederholt mit Steinen und Feuerwerkskörper beworfen worden. Laut der Polizei erlitten bei dem Einsatz bislang vier Aktivisten Verletzungen, aufseiten der Polizei sind es bislang fünf Beamte.

Besetzte Gebäude sowie Baumhäuser wurden von der Polizei im rheinischen Braunkohlerevier geräumt.

Zudem gab es Protestaktionen an anderen Orten. Am Freitagvormittag blockierten rund 30 Aktivisten die Zentrale des RWE-Konzerns in Essen. Mitglieder von "Extinction Rebellion", "Scientist Rebellion" und "Letzte Generation" beteiligten sich an der Aktion, einige ketteten sich an das Haupttor. Sie forderten von den RWE-Verantwortlichen ein Moratorium für die aktuelle Räumung von Lützerath. Gegen Mittag wurde die Versammlung durch die Polizei aufgelöst.

Am Wochenende erhalten die Aktivisten in und um Lützerath Unterstützung durch eine Großdemonstration. Unter dem Motto "Lützerath: Gegen die Räumung - für Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit" werden nach Angaben der Veranstalter am Samstag rund 10.000 Menschen erwartet - darunter auch die bekannte schwedische Klimaaktivistin und Initiatorin von "Fridays for Future", Greta Thunberg. Der Demonstrationszug soll sich um 12 Uhr vom Ort Keyenberg in Richtung Lützerath auf den Weg machen. Die abschließende Kundgebung ist um 13.30 Uhr auf einem Feld in Höhe der Ortslage Lützerath vorgesehen.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus warnte unterdessen vor weiteren Auseinandersetzungen in der Region. Im Bereich des aktuell genehmigten Betriebsplans für den Tagebau Garzweiler befänden sich Flächen, deren Eigentümer nicht an RWE verkaufen wollten, teilte sie mit. Somit drohten im geplanten Abbaugebiet langwierige und juristisch unsichere Enteignungen auch nach einer Räumung Lützeraths. Ein RWE-Sprecher wies die Aussagen der Grünen-Politikerin zurück. "Der Tagebau Garzweiler hat in seinem Vorfeld und damit auch im Umfeld von Lützerath ausreichend Land, sein Arbeitsbereich ist gesichert", sagte der Sprecher. Grundabtretungsverfahren seien dort "nicht mehr zu führen".