Prominente, Forscher und Aktivisten für Räumungsstopp

Räumung des Protestcamps in Lützerath hat begonnen
© epd-bild/Guido Schiefer
Die Polizei hat am Mittwoch (11.01.2023) mit der Räumung des Protestcamps im rheinischen Braunkohlerevier Lützerath begonnen.
Abriss des Dorfes Lützerath
Prominente, Forscher und Aktivisten für Räumungsstopp
Nach Räumungsbeginn in Lützerath mehren sich die Stimmen für ein Moratorium. Unterdessen ist es zu ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Auch für Medienschaffende ist die Berichterstattung erschwert.

Wissenschaftler und Prominente fordern in offenen Briefen einen sofortigen Stopp der am Mittwoch begonnen Räumung von Lützerath. Ein Moratorium würde einen Dialog mit allen Betroffenen und die Überprüfung der Gründe für die Räumung ermöglichen, heißt es in einem von "Scientists for Future" veröffentlichten Brief, den mehr als 500 Forschende unterschrieben haben.

Ähnlich äußern sich auch mehr als 200 Prominente, darunter die Schauspielerinnen Katja Riemann und Luisa-Céline Gaffron sowie die Band Sportfreunde Stiller, in einem weiteren offenen Brief, der unter anderem auf Instagram veröffentlicht wurde. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" darüber berichtet.

Das Abbaggern der Kohle in Lützerath sei "nicht nur eine Frage der Existenz eines Dorfes, sondern eine Causa, die von globaler und klimapolitisch richtungsweisender Bedeutung ist", heißt es in dem an Bundesregierung, NRW-Landesregierung sowie Bundes- und Landtag gerichteten Brief der Prominenten. "Lützerath kann zu einem Moment der Zukunft, des klimapolitischen Aufbruchs und der Demokratie werden - oder zu einem verheerenden Signal, wenn hier Konzerngewinne über den Schutz des Allgemeinwohls gestellt werden."

Am Donnerstag wollen unter anderen Gaffron, die Mitunterzeichnerin und Moderatorin Louisa Dellert, die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer und Pauline Brünger sowie der Greenpeace-Bundesvorsitzende Georg Jansen nach Lützerath kommen, wie Fridays for Future ankündigte. "Ihr räumt, wir kommen", erklärte Neubauer. Wenn die Regierung die im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5-Grad-Grenze nicht einhalte, müsse die Zivilgesellschaft friedlich protestieren.

Katja Riemann und viele andere Prominente haben sich für einen Stopp der Räumungen in Lützerath starkgemacht.

Die Polizei hat am Mittwochmorgen mit der Räumung des Weilers Lützerath für den Braunkohleabbau begonnen. Die Abbaggerung des Ortes ist Teil eines politischen Kompromisses: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten sich im Oktober 2022 mit RWE auf einen vorgezogenen Braunkohleausstieg 2030 verständig. Klimainitiativen widersetzen sich den Maßnahmen, teils mit Gewalt. Sie wollen den Abbau der Kohle unter dem Weiler und die damit verbundenen CO2-Emissionen verhindern.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, es gebe "eine eindeutige Rechtslage", wonach Lützerath abgerissen und die Kohle unter dem Ort abgebaggert werden könne. Die Bundesregierung erwarte, dass das Recht eingehalten werde, und die Polizei sei dafür da, geltendes Recht auch durchzusetzen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) appellierte erneut an alle, die sich für das Klima einsetzen, "sich von den Randalierenden, von den Chaoten" zu distanzieren und wegzugehen. "Man kann woanders demonstrieren", sagte er in einem vom "Bonner General-Anzeiger" auf Twitter verbreiteten Video. Eigentlich könnten die Aktivisten doch mit dem Konsens leben: "Es gibt einen Sieg für alle, die sich ums Klima kümmern - auf voller Linie", unterstrich er. "Es wird weniger abgebaggert, es bleiben Dörfer stehen, der Hambacher Forst bleibt stehen. Es wird ein klitzekleiner Teil jetzt noch abgebaggert."

Der Konfliktforscher Andreas Zick appellierte an Polizei und Aktivisten, bei der Räumung den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Das Fatale in Lützerath sei die Aussichtslosigkeit und eine daraus entstehende Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Wut, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Unterdessen erklärte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), dass die Berichterstattung über Lützerath erschwert werde. Nach den ersten vier Stunden der Räumung ziehe die Gewerkschaft "eine erste negative Zwischenbilanz der Pressefreiheit", twitterte Jörg Reichel, Geschäftsführer der dju Berlin-Brandenburg.