TV-Tipp: "Marie Brand und die Ehrenfrauen"

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4. Januar, ZDF, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Marie Brand und die Ehrenfrauen"
Mafia-Filme sind Männer-Filme, in denen Frauen meist nur als schmückendes Beiwerk dienen, und schon allein deshalb ist der 32. Krimi mit Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann ungewöhnlich: In "Marie Brand und die Ehrenfrauen" legt sich das Duo Brand und Simmel mit einem Mafia-Clan an, der von einer Frau angeführt wird. Das kann Marie Brand natürlich nicht ahnen, als sie im Stau an einer Autobahnbaustelle Zeugin eines scheinbaren Unfalls wird.

Die Kriminaltechnik braucht nicht lange, um festzustellen, dass die Explosion einer Gasflasche in einem Bürocontainer ein gezielter Mordanschlag war. Außerdem gibt es eine Akte über das Opfer und seine Frau, aber die ist Verschlusssache: Das Ehepaar Messina ist vor zwanzig Jahren im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms in Köln untergebracht worden. Francesca (Dagny Dewath) führt einen Laden für Kaffeespezialitäten. Im Rahmen eines Espresso-Seminars hat sich Simmel ein bisschen in die Italienerin verliebt, was dem Fall natürlich eine besondere Note gibt. Entscheidender ist jedoch ein Detail aus Francescas Vergangenheit: Sie stammt aus Sizilien, ihr Vater war der einflussreiche Mafia-Boss Giordano. Sie hat gegen die Familie ausgesagt und ist anschließend in Deutschland untergetaucht, doch nun scheint die Vergangenheit sie einzuholen. Tatsächlich hat der Anschlag auf ihren Mann einen ganz anderen Hintergrund, aber Francesca gerät trotzdem wieder ins Visier der Mafia; und die Frau, die die alte Rechnung begleichen soll, ist ausgerechnet ihre jüngere Schwester Clara. 

Für eine brave Krimireihe wie "Marie Brand" ist diese Thrillergeschichte fast eine Nummer zu groß, das Thema würde im Grunde besser zu einem "Tatort" passen. Weil es um Leben und Tod geht, schließlich schweben neben Francesca auch ihre beiden Kinder in großer Gefahr, würden die typischen kleinen Comedy-Momente Simmels deplatziert wirken, weshalb Katja Röder weitgehend darauf verzichtet hat. Die Autorin hat bislang stets mit Fred Breinersdorfer zusammengearbeitet; das Duo hat unter anderem die Drehbücher die auf authentischen Fällen beruhende ZDF-Krimireihe mit Heino Ferch als niederrheinischer Kommissar Ingo Thiel geschrieben (angefangen mit "Ein Kind wird gesucht", 2018). "Marie Brand und die Ehrenfrauen" hat ebenfalls einen semidokumentarischen Hintergrund. Zweites Thema neben Francescas Flucht vor der Vergangenheit ist ein neues Geschäftsmodell der Mafia.

Claudio Messina ist einem Abrechnungsbetrug auf die Schliche gekommen, es geht um Geldwäsche in großem Stil: Ein Arbeitgeber begleicht die überhöhten Rechnungen einer als Subunternehmen fungierenden Strohfirma, bekommt einen Teil der Summe in bar zurück und bezahlt damit die Schwarzarbeiter. Eine fast perfekte Methode – bis jemand bei den Abrechnungen genau hinschaut; das war Claudios Todesurteil. 

Regie führte Michael Zens, der schon einige "Marie Brand"-Episoden gedreht hat. Richtig spannend ist der Film zwar nicht, aber das galt für seine früheren Beiträge ebenfalls. Sehenswert ist der Krimi daher vor allem wegen der beiden parallel erzählten Rachegeschichten: Francesca will Vergeltung für den Anschlag auf Claudio und sucht nach jenem Mann, der ausgerechnet im Auftrag der nach wie vor mächtigen Giordano-Familie die illegalen Arbeiter vermittelt und die Geldwäsche organisiert; und damit läuft sie Clara direkt in die Arme. Patrizia Carlucci ist nicht nur dank ihrer italienischen Wurzeln eine treffende Besetzung für diese Figur; als attraktive Killerin, die zudem die Clan-Geschäfte führt, spielt sie natürlich eine besondere Rolle. Entsprechend fesselnd ist das Finale, als die beiden Frauen endlich aufeinandertreffen. 

Marie Brand erweist sich zudem als würdige Gegnerin: Ihre Hochbegabung, die nach wie vor den Vorspann prägt, hat in den Drehbüchern der Reihe schon geraume Zeit keine Rolle mehr gespielt, dabei war dies anfangs das Alleinstellungsmerkmal der Kommissarin. Diesmal darf sie wieder brillieren und den Kollegen mit komplizierten Kopfrechnungen bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma verblüffen. Sehr sympathisch sind auch die verschiedenen italienischen Zutaten, und das gilt nicht nur für Simmels Liebe zum Espresso: Francesca Geschäft heißt "Bocca della Verità" (Mund der Wahrheit), eine Anspielung auf ein rund 2.000 Jahre altes Relief, das an einer römischen Kirche angebracht ist; und das Restaurant des Mafia-Schergen heißt "Fontana die Trevi", nach jenem römischen Brunnen, der 1960 durch den Fellini-Film "Das süße Leben" berühmt geworden ist.