TV-Tipp: "Kurzschluss"

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31. Dezember, WDR, 16:10 Uhr
TV-Tipp: "Kurzschluss"
"Die Geschichte kenn’ ich doch", wird sich Anke Engelke womöglich gedacht haben, als sie das Drehbuch zu "Kurzschluss" bekommen hat. Die Ereignisse des Kurzfilms lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Aufgrund eines technischen Defekts werden ein Mann und eine Frau am Silvesterabend im Vorraum einer Kleinstadtbankfiliale eingeschlossen.

In einer der witzigsten "Pastewka"-Folgen hat die Schauspielerin ganz Ähnliches erlebt: Nach der Grimme-Preisverleihung bleiben sie und Bastian Pastewka in einem Fahrstuhl stecken ("Der Aufzug", Staffel vier, Episode sieben, 2010). Auf einer derart überschaubaren Handlungsbasis lassen sich sowohl ein Drama wie auch eine Komödie konstruieren; oder auch eine Romanze. Das Drehbuchduo Claudius Pläging und Max Bierhals hat sich natürlich für die heitere Variante entschieden, schließlich soll "Kurzschluss" nach Möglichkeit zum Silvesterklassiker werden: Das Malheur ereignet sich um kurz nach 23.30 Uhr, just zu Sendebeginn also; auch wenn die ARD das kurzweilige Vergnügen einen Tag zu früh ausstrahlt (der WDR folgt morgen um 16.10 Uhr). 

Wie in einem Sonntagsfilm des ZDF begegnen sich die beiden Hauptfiguren allerdings schon vorher, als die Frau auf dem Weg zum Bankautomaten beinahe von einem SUV angefahren wird. Clever vermittelt der kurze Blick auf ein Wahlplakat zwei wichtige Informationen: Bettina Maurer ist Kommunalpolitikerin, und ihr Werben für eine autofreie Innenstadt macht jeden SUV-Fahrer zu einem natürlichen Feind; deshalb hat der Geschäftsmann Martin Dorfmann (Matthias Brandt) von vornherein denkbar schlechte Karten. Vor allem jedoch hat er’s eilig, weshalb er ziemlich unleidlich wird, als der Automat zwar bereitwillig Bettinas 200 Euro ausspuckt, aber nicht ihre Karte. In seiner Ungeduld fummelt er mit ihrer Haarnadel am Kartenschlitz herum und verursacht prompt einen Kurzschluss; nun geht die Tür nach draußen nicht mehr auf. 

In diesem Moment erreicht der Film die dramaturgische Weggabelung, nun entscheidet sich, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt: Zerfleischen sich die beiden oder kommen sie sich näher? Komisch könnte schließlich beides sein. Die Qual der Wahl ist womöglich auch Pläging und Bierhals schwer gefallen, weshalb sie kurzerhand beide Varianten erzählen: Natürlich reagiert Martin seinem Naturell entsprechend erst mal aggressiv, und dass Bettinas Mobiltelefon durchs Oberlicht fällt – Netzempfang gibt’s tatsächlich nur unter der Decke – hebt seine Stimmung auch nicht gerade. Aber dann fügen sie sich ins Unvermeidliche und finden sich damit ab, dass ihnen das Schicksal einen Strich durch ihre Pläne gemacht hat: Er sollte seine betrunkene Tochter auf einer Party abholen, sie als Bürgermeisterin um Mitternacht auf dem Marktplatz ein Feuerwerk abbrennen; eine Initiative, mit der sie für den Verzicht auf private Silvesterraketen werben wollte. Als die beiden ins Plaudern kommen, stellt sich raus, dass sie einst gemeinsam auf dieselbe Schule gegangen sind. Damals waren alle Jungs in "Busen-Betti" verliebt; auch Martin, der aber keinerlei Chancen hatte, weil er aufgrund eines Missgeschicks bloß noch "Doofmann" hieß. 

Wie es dem für "Die Carolin Kebekus Show" gleichfalls Grimme-preisgekrönten Autorenduo gelingt, der eigentlich überschaubaren Situation immer wieder neue Gags abzugewinnen, ist nicht nur äußerst erheiternd, sondern auch beeindruckend. Regie führte Erik Haffner. Er hat diverse Folgen für "Pastewka" geschrieben und inszeniert, allerdings nicht "Der Aufzug". Eine kleine Verbeugung gibt es dennoch, als Bettina um Mitternacht einen Piccolo hervorzaubert und zwei Broschüren zu Trinkgefäßen umfunktioniert. In der "Pastewka"-Episode macht Engelke das ebenfalls, wenn auch gewissermaßen aus einem gegensätzlichen Grund, Stichwort "Urinella". Dass sie und Matthias Brandt ein prima Team ergeben würden, obwohl sie zuvor noch nie gemeinsam vor der Kamera gestanden haben, ist keine Überraschung, aber wie Haffner das Kammerspielszenario auch dank der Kameraarbeit (Joseph Strauch) immer wieder abwechslungsreich umgesetzt hat, ist erstaunlich.

Dafür sorgen neben Brandts ungewohnten, aber sehr lustigen Slapstickeinlagen nicht zuletzt einige Gäste, die dem unfreiwilligen Paar neuen Gesprächsstoff bescheren: Tom Keune als Handy-Dieb, Vincent Krüger als Lieferant aus der Halbwelt sowie Franziska Ferrari als Frau in Martins Auto, die weder Tochter noch Freundin ist und am Ende unfreiwillig für einen Knalleffekt sorgt; der Schluss macht zudem eine Fortsetzung möglich. Der Film steht bereits in der ARD-Mediathek.