Deeskalation im Ukraine-Krieg nötig

Polizisten betrachten eingesammelten Polizisten betrachten Fragmente von russischen Raketen in Charkiw, Ukraine
© Libkos/AP/dpa
In Charkiw betrachten Polizisten eingesammelte Trümmer, die nach ukrainischen Angaben von russischen Raketen stammen.
Friedensforscherin
Deeskalation im Ukraine-Krieg nötig
Die westlichen Staaten sollten nach Ansicht der Friedensforscherin Christine Schweitzer die Sanktionen gegen Russland stärker als Druckmittel nutzen, um den Ukraine-Krieg zu beenden.

Der Westen sollte eine Aufhebung der Maßnahmen für den Fall eines Waffenstillstandes und eines Abzuges der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet ankündigen, sagte Schweitzer, die Geschäftsführerin des Bundes für Soziale Verteidigung ist, dem Evangelischen Pressedienst. Wenn dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Aussicht gestellt werde, wieder frei reisen und handeln zu können, könne dies Veränderungen im Regierungssystem Russlands bewirken.

Schweitzer warnte davor, dass der Krieg noch jahrelang dauern könne: "Es besteht die Gefahr der Eskalation mit immer mehr und schwereren Waffen." Sie nannte es eine "Illusion", dass man die Ukraine militärisch befreien könne - dazu sei das russische Militär "doch zu stark" und drohe zudem mit Atomwaffen. "Was jetzt geschehen sollte, ist, den Konflikt zu deeskalieren", forderte sie.

Die deutsche Politik solle auch die Ukraine zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufrufen, verlangte die Friedensaktivistin. Die allermeisten bewaffneten Konflikte würden durch Verhandlungen beendet.

Nicht selten seien dabei auch Leute beteiligt, die sich zuvor schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten, sagte sie mit Blick auf Putin. Entsprechende Gerichtsprozesse seien dann nach einer Friedensvereinbarung gefolgt, sagte Schweitzer und verwies auf Beispiele vom Balkan und aus Westafrika.

Die Friedensforscherin hob hervor, dass es in der ersten Phase des Ukraine-Kriegs relativ viel gewaltfreien Widerstand gegen die russischen Invasoren gegeben habe. Dazu zählten Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Besatzungsbehörden, gewaltfreie Proteste, Straßen-Blockaden oder das Entfernen von Straßenschildern. Infolge massiver Repressionen hätten die Aktionen im Laufe der Zeit nachgelassen, aber nie ganz aufgehört, sagte Schweitzer.

In der aktuellen Lage sei es jedoch unsinnig zu fordern, dass die Ukraine von bewaffneter Verteidigung auf gewaltfreien Widerstand umstellen solle, räumte sie ein: "Man muss sich in einem Konflikt für eine bestimmte Form der Verteidigung entscheiden."

Mit einer Strategie von gewaltfreiem Widerstand hätte die Ukraine nach Ansicht Schweitzers zwar zu Kriegsbeginn die russischen Truppen nicht unbedingt stoppen können - es hätte aber die Chance gegeben, die Besatzer durch Nicht-Kooperation an der Errichtung eines neuen, russlandfreundlichen Regimes zu hindern.

Der bundesweit tätige Bund für Soziale Verteidigung setzt sich seit über 30 Jahren für gewaltfreie Konfliktlösung im In- und Ausland ein. Der Verband unterstützt unter anderem die Menschenrechtsarbeit in diktatorischen Staaten wie Belarus.