Oldenburg (epd). Im Prozess gegen sieben ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel haben alle Angeklagten auf ein letztes Wort vor der Urteilsverkündung verzichtet. Am Donnerstag beendeten die Verteidiger vor dem Landgericht Oldenburg ihre Plädoyers. Wie schon die Staatsanwaltschaft forderten sie einen Freispruch für alle Angeklagten (Az.: 5 Ks 20/16).
In dem Verfahren wird drei Ärzten, zwei leitenden Pflegerinnen, einem leitenden Pfleger sowie dem Ex-Geschäftsführer der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst Beihilfe zum Totschlag oder versuchter Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen. Das Gericht zog sich am Mittag zur Beratung zurück. Möglicherweise sprechen die Richter noch am Nachmittag das Urteil.
Die Verteidigerinnen und Verteidiger übten auch am 29. Verhandlungstag scharfe Kritik an den Ermittlungen und dem Verfahren gegen ihre Mandanten. Zudem habe die Presse den Prozess unverantwortlich emotionalisiert und damit eine vermeintliche Schuld der Angeklagten nahegelegt.
Ein Verteidiger betonte, dass keiner der Angeklagten Högels Taten auch nur für möglich gehalten habe. Es sei damals wie heute unvorstellbar, dass ein Pfleger im Krankenhaus morde. Mit dem Wissen von heute sei dies vielleicht denkbar: „Aber der Gedanke ist absurd.“ Trotzdem werde den Angeklagten die Beihilfe vorgeworfen.
Eine weitere Anwältin bezeichnete das gesamte Verfahren als „ungeeignet“, um den Gesamtkomplex Högel aufzuarbeiten. Der Prozess habe keinen Beitrag zur Aufklärung geleistet. Die Staatsanwaltschaft habe vielmehr eine „späte Flucht nach vorn auf Kosten der Angeklagten“ angetreten, weil die Ermittlungen über viele Jahre ins Stocken geraten seien.
Ein Freispruch gilt bei den Prozessbeobachtern als sehr wahrscheinlich. Das Gericht hatte in einer vorläufigen Einschätzung vor drei Wochen bereits mitgeteilt, die Beweisaufnahme habe ein vorsätzliches Handeln nicht mit ausreichender Gewissheit belegt. Högel wurde 2019 wegen 85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen. Högel war zunächst in Oldenburg, später am Delmenhorster Krankenhaus beschäftigt.