11. Vollversammlung des ÖRK beendet

Delegation der evangelischen Kirche in Westpapua beim Gruppenfoto
© epd-bild/Thomas Lohnes
Letzte Erinnerungsfotos werden geschossen, wie von der Delegation der evangelischen Kirche in Westpapua um Leonard Imbiri (M) und Daniel Josef Kaigere (vorne rechts) aus dem indonesischen Papua Neuguinea, die auf dem ÖRK auf Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aufmerksam machten.
Das Treffen ist die Botschaft
11. Vollversammlung des ÖRK beendet
Der Weltkirchenrat ist das Zukunftslabor der Ökumene. Neun Tage lang haben rund 3.000 Gäste aus 120 Ländern das baden-württembergische Karlsruhe zur Hauptstadt der Christenheit gemacht - es wurde miteinander gebetet, diskutiert - und gestritten.

Als der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) 1948 gegründet wurde, warf der Ost-West-Konflikt schon seine Schatten auf Europa und die Welt. Fast 75 Jahre später muss sich der Weltkirchenrat, wie der ÖRK auch genannt wird, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Corona-Pandemie, dem Klimawandel und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich auseinandersetzen. All das waren Themen, über die auf der am Donnerstag zu Ende gegangenen 11. Vollversammlung des ÖRK neun Tage lang heftig diskutiert und gestritten wurde.

Die ÖRK-Vollversammlung ist ein Forum, auf dem Menschen aus aller Welt die zum Teil existenziellen Krisen ihren jeweiligen Regionen zur Sprache bringen können. Nicht immer gibt es dafür Lösungen - etwa beim Nahost-Konflikt oder dem Ukraine-Krieg. Daher ist das Treffen selbst die Botschaft. Dem 1948 gegründeten Weltkirchenrat gehören zahlreiche Kirchen, Denominationen und kirchliche Gemeinschaften in mehr als 120 Ländern und Gebieten weltweit an, die wiederum mehr als 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten.

Die Mitglieder des ÖRK kommen heute vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem pazifischen Raum. Diese erhoben zum Klimawandel ihre Stimme, denn besonders indigene Völker sind mit den direkten Folgen des Klimawandels konfrontiert. Dies werde bislang bei der Bekämpfung der Erderwärmung zu wenig berücksichtigt, hieß es. Der Ökumenische Rat der Kirchen dringt zudem auf den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

Streitpunkt war die Teilnahme einer Delegation der russischen-orthodoxen Kirche auf dem Karlsruher Kirchenkongress, die immerhin die größte der 352 Mitgliedskirchen des Weltkirchenrates stellt: Vor der Vollversammlung wurde immer wieder deren Ausschluss gefordert.

Dialog und Schlagabtausch

Der ÖRK plädiert hier für Dialog, dennoch kam es zum Schlagabtausch. Der ukrainische Erzbischof Jewstratij prangerte eine jahrhundertelange Unterdrückung seines Landes durch Russland an. Der aktuelle Angriffskrieg füge sich nahtlos in die imperialistische russische Geschichte zur Unterwerfung der Ukraine ein, sagte Jewstratij auf einem Hauptpodium.

Die russisch-orthodoxe Kirche wiederum wies Äußerungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt des Welt-Ökumene-Gipfels mit Empörung zurück. Steinmeiers Anschuldigungen seien völlig unbegründet, erklärte der russisch-orthodoxe Delegationsleiter, Metropolit Antonius, in einer offiziellen Stellungnahme. Zum Auftakt der Vollversammlung hatte der Bundespräsident die russisch-orthodoxe Kirchenleitung in ungewöhnlich scharfer Form verurteilt. Deren Leitung führe ihre Gläubigen auf einen "glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg".

Israel-Palästina-Konflikt ruft Debatte hervor

Stark umstritten war das Thema Israel-Palästina-Konflikt. Ein zuvor befürchteter Eklat blieb aus. Kritiker hatten befürchtet, der Weltkirchenrat würde Israel zum Apartheid-Staat erklären. In einem zum Abschluss verabschiedeten Statement findet man einen Kompromiss: "In jüngster Zeit haben zahlreiche internationale, israelische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen und juristische Gremien Studien und Berichte veröffentlicht, in denen die Politik und die Handlungen Israels als 'Apartheid' im Sinne des Völkerrechts beschrieben werden."

Während einige Kirchen und Delegierte nachdrücklich die Verwendung dieses Begriffs unterstützten, da er die "Realität der Menschen in Palästina/Israel und die völkerrechtliche Lage zutreffend beschreibt", hielten ihn andere für "unangemessen, wenig hilfreich und schmerzhaft", so das Statement. Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hatte in der Diskussion am Dienstagabend in einem leidenschaftlichen Appell davor gewarnt, von Israel als einem Apartheidstaat zu sprechen.

Die EKD-Auslandsbischöfin zog auch ein positives Fazit der ökumenischen Begegnung: "Wir haben ein großartiges internationales Fest des Glaubens in Karlsruhe gefeiert. Mit anrührenden Begegnungen und inspirierenden Gottesdiensten und Gebetszeiten." Es habe eine neue Leidenschaft für das ökumenische Netzwerk der Kirchen weltweit gegeben. Vielleicht verdanke sich dieser neue ökumenische Ernst der klaren Erkenntnis vieler Kirchen, "dass wir den globalen Krisen wie der Klimakrise, Rassismus oder der eskalierenden privaten und öffentlichen Gewalt an so vielen Orten nur gemeinsam begegnen können."