Missbrauchsbetroffener verlangt Schmerzensgeld vom Erzbistum Köln

Missbrauchsbetroffener verlangt Schmerzensgeld vom Erzbistum Köln
Auf das Erzbistum Köln rollt eine Schmerzensgeldforderung in sechsstelliger Höhe zu. Ein ehemaliger Ministrant verklagt die Kirche, weil er von einem Priester jahrelang missbraucht worden sein soll. Der geständige Beschuldigte ist bereits tot.

Köln (epd). Wegen eines langjährigen sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Priester verklagt ein Betroffener das Erzbistum Köln auf rund 800.000 Euro Schmerzensgeld. Die Zivilklage sei am Freitag beim Landgericht Köln eingegangen, teilte die Kanzlei des Klägers dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn mit. Nach Medienangaben handelt es sich um die erste derartige Klage gegen die Kirche als Institution in Deutschland. Der Fall ist ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind.

Laut dem Kläger und seinem Anwalt ist die Beweislage eindeutig. Der Priester habe die Taten vor seinem Tod zugegeben. Der Geistliche hatte den Kläger als Jungen in den 1970er-Jahren in mindestens 320 Fällen sexuell missbraucht - laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ereigneten sich die Taten bei Ministrantenfreizeiten in der Eifel. Die Vorfälle sind auch im Missbrauchsgutachten der Kanzlei Gercke-Wollschläger aufgeführt, das eine Vielzahl an Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum auflistet.

Dass eine Klage möglich ist, obwohl der Täter verstorben und die Taten verjährt sind, begründet der Anwalt des Klägers mit der sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution. In einem Zivilprozess muss die beklagte Institution demnach aktiv die Verjährung der Taten geltend machen. Das habe das Erzbistum aber unterlassen - offenbar aus moralischen Gründen und um auch weitere Anerkennungszahlungen an Betroffene leisten zu können. Auch der Kläger, der laut „Spiegel“ seit 37 Jahren als Angestellter im Erzbistum Köln arbeitet, erhielt eine solche Zahlung in Höhe von 25.000 Euro. Als Folge des jahrelangen Missbrauchs leidet er nach eigenen Angaben unter Schlafstörungen, Migräne und Neurodermitis.

Der Priester selbst wurde im Jahr 2014 mit Berufsverbot, Entzug des Titels und Geldstrafe belegt. Zudem erging gegen ihn die Auflage, sich künftig Kindern nicht mehr zu nähern.

Eine Stellungnahme zu der Klage gab das Erzbistum zunächst nicht ab, weil ihm „zum aktuellen Zeitpunkt“ keine Schmerzensgeldklage vorliege, wie es auf Anfrage des epd hieß. Auf WDR-Anfrage wies das Erzbistum darauf hin, dass man 2021 per Aufruf nach weiteren Personen gesucht habe, die von den Übergriffen des Priesters betroffen waren. Jedem einzelnen Betroffenen werde man „die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen“, hieß es.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, begrüßte die Schmerzensgeldklage. Solche Verfahren seien zwar zumeist langwierig und für die Betroffenen „mühsam und belastend“, sagte sie dem WDR-Radio. „Aber natürlich dient es dazu, eine Rechtsklarheit zu haben: gibt es einen Anspruch wegen Amtspflichtverletzungen?“ Dann könnten auch andere diesen Weg beschreiten.

Claus betonte erneut die Notwendigkeit einer größeren staatlichen Verantwortung für die Aufarbeitung von Missbrauch. „Ich glaube, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass Institutionen die Aufarbeitung allein nicht leisten können.“ Sie setze sich dafür ein, das Recht auf Aufarbeitung für Betroffene gesetzlich festzuschreiben. Die Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetz seien derzeit in Arbeit, sie hoffe auf eine Verabschiedung bis zum Sommer 2023.