TV-Tipp: "Ella Schön: Das Glück der Erde"

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24. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Ella Schön: Das Glück der Erde"
Fünf Jahre und elf Filme lang hat Annette Frier eine Frau verkörpert, die keinen Humor versteht, stets eine Goldwaage dabei hat, selten eine Miene verzieht und wie ein Roboter spricht.

Es wäre zwar nicht angebracht, die schauspielerischen Fähigkeiten der Kölnerin aufs komödiantische Fach zu reduzieren, doch eins lässt sich mit Fug und Recht feststellen: Ella Schön und ihre Darstellerin haben nicht viel gemeinsam; aber genau darin liegt ja der Reiz dieses Berufs. Die von Simon X. und Elke Rössler im Wechsel verfassten Drehbücher haben zu einem Erzählschema gefunden, das auch die Freitagsreihen "Die Eifelpraxis" oder "Praxis mit Meerblick" im "Ersten" prägt: Nachdem sich die verwitwete Titelheldin mit Christina (Julia Richter), der an der Ostsee lebenden Geliebten ihres Mannes, angefreundet hatte, waren es vor allem ihre emotionalen Irrungen und Wirrungen, die für die Verknüpfung der einzelnen Geschichten sorgten. 

Das Alleinstellungsmerkmal der Reihe ist das Asperger-Syndrom der Hauptfigur. Die Autismusvariante hat zur Folge, dass Ella ihre Mitmenschen beim Wort nimmt und stets sagt, was sie denkt. Jeweils in sich abgeschlossen sind die Fälle, mit denen sie es als Referendarin in der Anwaltskanzlei ihres väterlichen Mentors Kollkamp (Rainer Reiners) zu tun bekommt. Nach diesem Muster funktioniert auch der trilogische Abschluss der Reihe: Ella ist immer noch dabei, den Liebeskummer über das Ende ihrer Beziehung zum Elektriker Jannis (Josef Heynert) zu verarbeiten. Außerdem hat sie sich in ihren Kung-Fu-Trainer verliebt. Im Hauptberuf arbeitet Arndt (Oliver Stein) allerdings als Biologe im Naturpark, weshalb auch Ella höchst skeptisch versucht, sich mit der Natur anzufreunden. Dann ereignet sich allerdings etwas, mit dem sie und Christina am wenigsten gerechnet hätten: Nach einem feuchtfröhlichen Abend wachen die Freundinnen am nächsten Morgen nackt nebeneinander auf und fragen sich, ob sie wohl als Paar funktionieren würden.

Das klingt alles nicht besonders aufregend, und ohne die Asperger-Variable würde die Gleichung auch nicht erfolgreich aufgehen; dann wäre "Ella Schön" ein Zeitvertreib wie die meisten anderen romantischen Dramen aus dem ZDF-Sonntagskosmos. Dass die Reihe mehr als bloß "Herzkino" von der Stange ist, hat jedoch nicht nur mit den Figuren und ihren Geschichten, sondern auch mit der Umsetzung zu tun. Holger Haase, dessen Arbeiten bis auf ganz wenige Ausnahmen in der Regel von überdurchschnittlicher Qualität sind, hat seit der fünften Episode alle Filme inszeniert. Ähnlich großen Anteil wie Buch und Regie haben Kostüm (Anne Jendritzko, von Anfang an) und Szenenbild (aktuell: Anke Osterloh). 

Die beiden Gewerke verdeutlichen die erheblichen Unterschiede zwischen den Freundinnen mindestens ebenso sehr wie die verschiedenen Weltanschauungen, weil sich in der Wohnumgebung ihre Persönlichkeiten widerspiegeln: hier die heile Welt von Strandcafé-Betreiberin Christina, kunterbunt und gemütlich, dort die streng funktionale und betont farblose Einrichtung bei Ella. Hinzu kommen Christinas ständig wechselnde Motto-T-Shirts und ihre gern luftige Kleidung, während Ella einen schlichten Stil bevorzugt, der sie ähnlich unnahbar wirken lässt wie ihre streng nach hinten gekämmten Haare. Andererseits ist der Pragmatismus der Juristin das Korrektiv, das die in mancherlei Hinsicht leicht chaotische Christina braucht, weil Ella, ihre "komische beste Freundin", dank ihres nüchternen Blicks meist die besseren Argumente hat; auch wenn das für Christina kein besonderer Trost ist, als ihr ältester Sohn Ben (Oscar Brose) nach dem Abitur zum Studium nach Berlin zieht. Ella wiederum hat von Christina gelernt, dass sie ruhig hin und wieder mal aus der Rolle fallen darf.

Die anwaltlichen Herausforderungen sind zwar wegen der juristischen Details durchaus interessant, bewegen sich aber auf dem handelsüblichen Niveau solcher Filme: Zum Auftakt der Trilogie ("Das Glück der Erde") rettet Ella ein Therapiepferd vor dem Abdecker, im zweiten Teil ("Freischwimmer") sorgt sie dafür, dass der arrogante Hotelier Teetz (Reiner Schöne) und seine Gattin Inge (Adriana Altaras) wieder zueinander finden, im dritten ("Seitensprünge") muss sie ausgerechnet der eingebildeten Bürgermeisterin beistehen, denn Ulla Lüttjens (Tanja Schleiff) droht, Opfer eines Komplotts zu werden. Der Abschluss steht unter dem Motto "Mut zu Veränderung": Inge Teetz bietet Christina an, in ihrer Berliner Galerie ein Café zu eröffnen; aber dann ist es die unflexible Ella, die für eine Überraschung sorgt. 

Natürlich schwelgen die Filme in der landschaftlichen Schönheit der Halbinsel; Sonnenauf- und -untergänge sind beim "Herzkino" stets im Preis inbegriffen. Die Bildgestaltung (Konstantin Kröning) bewegt sich jedoch auf überdurchschnittlich hohem Niveau und erfreut immer wieder durch besondere Perspektiven. So zeigt die Kamera zum Beispiel regelmäßig das Kanzleibüro von oben: links Ellas schmucklose, aber pedantisch aufgeräumter Schreibtisch, recht die Unordnung auf der Seite ihres Chefs. Als Kollkamp wegen einer Nierensteinoperation im Krankenhaus ist und sediert mit Ella telefoniert, wird prompt auch die Bildgestaltung konfus. Die Musik (Martina Eisenreich) passt ohnehin perfekt. Trotzdem ist es letztlich die Leistung des kompletten Ensembles, die die Reihe zu etwas Besonderem gemacht hat.