Viel Engagement zum Wohl geflüchteter Kinder

Unterrichtssituation mit geflüchtete Kinder aus der Ukraine und Lehrerin
© Marcus Brandt/dpa
Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind auch viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Lehrkräfte, Eltern und Mitschüler wollen ihnen den Einstieg hier erleichtern.
Evangelische Schulen
Viel Engagement zum Wohl geflüchteter Kinder
Viele Eltern von Schulkindern engagieren sich für Kinder aus der Ukraine. Gemeinsam mit Lehrkräften und Schülern geben sie Deutschunterricht, sorgen für Struktur und Halt. Schulträger warnen davor, ihre Nächstenliebe auszunutzen.

Der Strom ukrainischer Flüchtlinge reißt nicht ab. Mit ihnen kommen schulpflichtige Kinder und Jugendliche. "Die Zahlen haben sich in den letzten 14 Tagen mehr als verdoppelt", sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Schulwerks Baden und Württemberg (ESW), Gerd Bürkle, dem Evangelischen Pressedienst. Besonders betroffen seien Grundschulen und Gymnasien in Großstädten wie Stuttgart, Mannheim oder Karlsruhe.

"Die Verteilung der Anfragen im Land ist sehr unterschiedlich - manchmal mehr als die Schulen bewältigen können, anderswo sind es nur vereinzelte Anfragen", sagt die stellvertretende ESW-Geschäftsführerin Ute Henne.

Bei der Integration der ukrainischen Schülerinnen und Schüler gehen die Schulen unterschiedliche Wege. Am Mörike-Gymnasium in Stuttgart beispielsweise wurde eine eigene Integrationsklasse gebildet. Ältere Schüler, Eltern und Lehrkräfte vermitteln den 20 Kindern zwischen zwölf und 17 Jahren ehrenamtlich Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Ziel ist es, sie später in anderen Schulen weiter zu unterrichten.

Andere Schulen stocken bestehende Klassen auf. Von den 270 Schulen in Trägerschaft der Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg wird vor allem die Freie Evangelische Schule (FES) in Lahr regelrecht überrannt. 56 Kinder aus der Ukraine hat die Schule bereits aufgenommen.

Rhythmus und Struktur vermitteln

"Sie kommen über Eltern, deren Kinder die Evangelische Schule besuchen, und die Flüchtlinge mit Kindern aufgenommen haben", erläutert Friedhelm Matter. In Lahr gibt es zwei große russisch-deutsche Freikirchliche Gemeinden. Sie seien sozial sehr engagiert, sagte der FES-Verwaltungsleiter. Jedes zweite ukrainische Kind komme über diese Gemeinden.

Bis Ostern sollen die Flüchtlinge zusammen mit der Bezugsperson aus der Familie in eine Klasse gehen und vor allem "ankommen". Die Vermittlung von Rhythmus und Struktur im Alltag stehen im Vordergrund. Bei der Kommunikation helfen zwei ukrainisch- oder russischsprachige Lehrkräfte und digitale Übersetzungsprogramme. Einige Schüler bringen bereits Englisch- oder Deutschkenntnisse mit.

Zusätzliche Lehrkräfte nötig

Anschließend seien Vorbereitungsklassen mit Deutsch als Fremdsprache geplant. Das bedeutet, drei volle Lehrerstellen zusätzlich, die Matter braucht. Angesichts des Lehrkräftemangels, Ausfällen durch Corona-Quarantänen sowie einem Klassenteiler von 24 stellt das die Schule vor eine schwierige Aufgabe.

"Notfalls müssen wir unser eigenes System über Bord werfen", sagt Matter. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda melden sich inzwischen auch Kinder aus Nachbardörfern bei ihm. Kinder, die keinen Bezug zur FES hätten, würden abgelehnt, sagte er. Sie müssten von staatlichen Schulen aufgenommen werden.

Schulträger gehen in Vorleistung

Das Engagement von Lehrkräften, Eltern und Schülern an den Freien Evangelischen Schulen ist groß. Lehrer leisten ehrenamtlich Überstunden, kommen aus dem Ruhestand zurück. Teilzeitkräfte stocken auf. Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft seien für Eltern seiner Schule selbstverständlich, sagt Matter. Er, Henne und Bürkle zollen ihrem Einsatz Respekt.

Private Schulträger gehen laut ESW-Geschäftsführer Bürkle für die Flüchtlingskinder in Vorleistung. Der Staat bezuschusst Freie Schulen zu 80 Prozent. Zwanzig Prozent bezahlen Eltern als Schulgeld. Die Lücke für die Flüchtlingskinder schließt der Schulträger aus seinem Sozialfonds.

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg habe eine Unterstützung der Schulträger mit bis zu 100.000 Euro bereits zugesagt, teilte Bürkle mit. Bei der Landeskirche in Baden liefen die Gespräche noch. "Freie Schulen dürfen nicht zum Billigmodell des Staates werden", mahnt der ESW-Geschäftsführer.

Die "Sogwirkung durch Freie Schulen" führe in manchen Fällen zu einer Überforderung der Privatschulen, sagt seine Kollegin Henne. Gerade traumatisierte Kinder und deren Mütter wollten zwar so schnell wie möglich wieder zurückkehren. Mit Blick auf die Bilder der Zerstörung in der Ukraine hält Bürkle dies jedoch für unrealistisch. "Ich gehe davon aus, dass die Schüler längere Zeit bleiben, ein bis drei Jahre", schätzt der Pfarrer.