Missbrauchsgutachten: Emeritierter Papst Benedikt erkennt Fehler an

Missbrauchsgutachten: Emeritierter Papst Benedikt erkennt Fehler an
Etwa drei Wochen hat der emeritierte Papst Benedikt für seine Stellungnahme zum Münchner Missbrauchsgutachten gebraucht, das auch ihn schwer belastet. Am Dienstag räumte er Fehler ein, zeigte sich aber getroffen vom Vorwurf der Lüge.

Frankfurt a.M., Rom (epd). Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat die Opfer sexualisierter Gewalt um Entschuldigung gebeten. In einer am Dienstag in Rom veröffentlichten Stellungnahme zu dem vor knapp drei Wochen veröffentlichten Münchner Missbrauchsgutachten sprach der frühere Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger von „tiefer Scham“, „großem Schmerz“ und einer „aufrichtigen Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs“.

„Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind“, erklärte Benedikt.

Der Münsteraner Theologe Thomas Schüller kritisierte, der emeritierte Papst benenne seine Schuld nicht konkret. „Joseph Ratzinger erzählt viel über Schuld und Vergebung im allgemeinen Sinn, aber seine eigene Schuld spricht er nicht an“, sagte der Münsteraner Professor für Kirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er halte eisern daran fest, dass er keine persönlichen Fehler gemacht habe, für die er persönliche Verantwortung und Konsequenzen übernehmen müsste.

Auch die kirchliche Reformbewegung „Wir sind Kirche“ kritisierte, dass Ratzinger sich selbst immer noch als Opfer sehe, das in übergroße Schuld hineingezogen wurde. „Und er ist nicht bereit, zu der nicht delegierbaren Gesamtverantwortung zu stehen, die ein Bischof hat“, sagte Sprecher Christian Weisner dem epd.

Die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte am 20. Januar ein Gutachten zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum München veröffentlicht, das sie seit 2020 im Auftrag des Erzbistums erstellt hatte. Die Gutachter fanden im Untersuchungszeitraum von 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt, sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester.

Außerdem werfen die Juristen ranghohen Klerikern, darunter dem amtierenden Erzbischof Kardinal Reinhard Marx und seinen Amtsvorgängern, moralische Versäumnisse beim Vorgehen gegen Missbrauchstäter in der katholischen Kirche und Ignoranz der Opfer von sexualisierter Gewalt vor. Dem emeritierten Papst attestierten sie Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982.

In einem Sondergutachten befassten sich die Anwälte mit einem Fall eines Essener Priesters, der als Missbrauchstäter aufgefallen war und 1980 ins Erzbistum München kam. Das Gutachten belastet Ratzinger schwer, er soll von den Taten des Priesters gewusst und ihn dennoch in der Seelsorge in verschiedenen Gemeinden eingesetzt haben. Die Gutachter hatten herausgefunden, dass der Priester auch im Erzbistum München weiterhin Kinder missbrauchte.

Benedikt hatte die Vorwürfe in einer 82-seitigen Stellungnahme, die dem Gutachten im Wortlaut beigefügt ist, bestritten und fälschlich behauptet, an einer Sitzung nicht teilgenommen zu haben, in der über die Personalie des Essener Pfarrers beraten wurde. Die Gutachter widerlegten dies mithilfe des Sitzungsprotokolls. Benedikt hatte die Falschbehauptung nach der Veröffentlichung des Gutachtens öffentlich revidiert.

Benedikt bekräftigte in dem Schreiben vom Dienstag, die Falschbehauptung sei versehentlich entstanden. „Dass das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen“, schrieb er. Die 82-seitige Stellungnahme habe „eine kleine Gruppe von Freunden“ für ihn geschrieben.

Am Ende des Schreibens verweist der 94-Jährige auf seinen baldigen Tod. Auch wenn er beim Rückblick auf sein langes Leben viel Grund zum Erschrecken und zur Angst habe, so sei er doch frohen Mutes, weil er auf die Gnade Gottes vertraue. „Wenn es konkret um persönliche Verantwortung geht, spiritualisiert er seine Verantwortung ins göttliche Erbarmen“, kritisierte Kirchenrechtler Schüller.