Mit Bibelworten, Demonstrationen und Gesprächen

Plakat mit der Aufschrift "Impfen statt Schimpfen"
© epd-bild/Uli Deck
Menschen demonstrieren für das Impfen und die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen (Symbolbild).
Gemeinden und Corona-Proteste
Mit Bibelworten, Demonstrationen und Gesprächen
Seit Gegner der Corona-Politik zu ihren "Spaziergängen" aufrufen, ringen auch viele Kirchengemeinden mit der Frage, wie sie mit den Protesten umgehen sollen. Der Kirchenkreis Hildesheim bemüht sich um Dialog und will Geimpfte und Ungeimpfte an einen Tisch bringen.

Rund 50 Paare haben sich schon gefunden. Der evangelische Kirchenkreis Hildesheim will Impfskeptiker und Geimpfte, Gegner und Befürworter der Corona-Politik miteinander ins Gespräch bringen. Sie konnten sich per Mail bewerben und mussten ein paar Fragen beantworten. "Die erste Lehre aus den Rückmeldungen ist, dass es kein Schwarz und Weiß gibt. Die Positionen sind gar nicht einfach einzuteilen", sagt der evangelische Superintendent Mirko Peisert, der die Gesprächsbörse initiiert hat. So gebe es auch den Ungeimpften, der die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung befürworte.

Wie Peisert will auch ein Bündnis in Osnabrück angesichts anhaltender Proteste für gegenseitigen Respekt in der Debatte über die Corona-Politik werben. Zugleich sind vielerorts die Kirchen an Demonstrationen beteiligt, die den sogenannten "Spaziergängern" etwas entgegensetzen wollen. Auch die Kirchen sehen sich durch die Corona-Proteste herausgefordert und ringen um den richtigen Umgang. Am vergangenen Montag hat ebenfalls in Hildesheim die evangelische Andreasgemeinde wieder Botschaften an ihre Kirchenmauern projizieren lassen. "Impfen statt schimpfen", zählt Gemeindepastor Axel Kawalla auf: "Ich bin so frei mit FFP2" und das Bibelwort "einer trage des anderen Last".

Im Dezember hatten sich in Hildesheim Gegner der staatlichen Corona-Politik bei ihrem montäglichen "Spaziergang" auf dem Kirchplatz von St. Andreas versammelt. In der Folge gründete sich das Bündnis "Unsere Stadt hat Querdenken satt", das seitdem Demonstrationen für den Montag angemeldet hatte. "Wir wollen unseren Platz selbst besetzen", sagt Kawalla. Für ihn bedeutet das auch, Position zu beziehen gegen Ansichten, die er für unsolidarisch hält.

Geistliche erhalten anonyme Drohbriefe

Wie in Hildesheim haben sich andernorts Bündnisse gegründet, die auch mit kirchlicher Beteiligung Gegendemonstrationen organisieren. Teils fanden sich auch bestehende Zusammenschlüsse von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und weiteren Organisationen wieder zusammen, die sich bereits früher in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten gegründet haben. Laut Polizei finden sich regelmäßig Rechtsextremisten bei den Corona-Protesten. Unter anderem hat in Peine das bestehende Bündnis beschlossen, den "Montagsspaziergängen" ein Zeichen entgegen zu setzen, sagt der Peiner Superintendent Volker Menke.

Menke und seine Stellvertreterin Marion Schmager sind nach Reden bei den Demonstrationen bedroht worden. "Meine Stellvertreterin hat einen Brief bekommen, unterschrieben mit Sophie Scholl", berichtet er. Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen waren auch deshalb vielfach in die Kritik geraten, weil sie sich mit NS-Widerstandskämpferinnen wie Sophie Scholl verglichen haben. Menke selbst sah sich Angriffen in einer lokalen Facebook-Gruppe ausgesetzt, deren Administrator seinen Rücktritt forderte: "Sie sind eine Schande für die Kirche. Sie betreiben Hetze gegen Andersdenkende", zitiert er: "Ich hoffe, unserem Superintendenten Dr. Menke wird bald das Handwerk gelegt."

Auch mit Impfkampagnen ergreifen manche Kirchenkreise und Gemeinden Position und die Reaktionen sind teils heftig, wie im Kirchenkreis Verden, der mit großformatigen Bannern an Kirchen mit der Aufschrift "Impfen ist Nächstenliebe" wirbt. In der Nacht zum Donnerstag haben unbekannte Täter eines der Banner zerschnitten. "Das ist zum einen eine Sachbeschädigung, die zur Anzeige führt. Zum anderen muss es wohl gedeutet werden als eine Stufe der Eskalation in der Auseinandersetzung um das Thema Impfen gegen Corona", sagt Pastor Marko Stenzel von der betroffenen St. Johannis-Gemeinde.

An diesem Sonnabend will das neue Osnabrücker Bündnis "Demokrat_innen für den Respekt" in der Innenstadt das Gespräch suchen. In Osnabrück demonstrieren seit Wochen jeweils sonnabends an die 2.000 Menschen mit zum Teil hetzerischen Wortbeiträgen gegen die Corona-Politik. Was die Dialog-Partnerinnen und -Partner in Hildesheim besprechen, wird unter ihnen bleiben, sagt Superintendent Peisert. "Für manche ist es wichtig, dass es vertraulich ist."