TV-Tipp: "Stralsund: Wilde Hunde"

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5. Februar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Stralsund: Wilde Hunde"

Krimis mit Teenagern sind fast zwangsläufig stets auch Dramen. Es geht um Drogen, falsche Freunde, die erste große Liebe; und um Typen, die nicht lange fackeln, wenn ihnen jemand in die Quere kommt. All’ das können die drei Jugendlichen, die sich abends zu einer spontanen Freiluftparty am Wasser treffen, natürlich nicht ahnen. Die Stimmung ist ausgelassen, im Hintergrund brennt ein Feuerwerk ab.Dass einer der Jungs "gangstermäßig" mit einer Pistole posiert und seiner Freundin die Waffe im Spaß an den Kopf hält, lässt sich allerdings im Nachhinein als böses Omen deuten.

Als ein Motorradpolizist auftaucht, will das Pärchen abhauen, doch der Beamte blockiert den Fluchtweg des Autos; kurzerhand wirft Daria (Lea Drinda) die Pistole aus dem Fenster. Der dritte im Bunde, Jo (Jack Owen Berglund) verdrückt sich, aber Daria und Mario (Junis Marlon) werden festgenommen, weil der Polizist im Kofferraum des Autos eine Ladung Ecstasy entdeckt: Osteuropäische Drogenhändler benutzen deutsche Jugendliche, die noch nicht strafmündig sind, als Drogenkuriere. Trotzdem muss Abteilungsleiter Jung (Johannes Zirner) die beiden am nächsten Tag auf Weisung des BKA wieder laufen lassen: Mario ist ein Informant. Seine Freiheitsfreude ist jedoch nur von kurzer Dauer: Kurz drauf wird seine Leiche gefunden, gefesselt und erfroren.

Lars Henning (Buch und Regie) hat zuletzt einen "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz gedreht; in dem NDR-Krimi "Tödliche Flut" ermittelte das Duo von der Bundespolizei auf der Nordseeinsel Norderney. Die weibliche Gastrolle spielte Franziska Hartmann als investigative Journalistin.

In "Wilde Hunde", Episode Nummer 16 der 2009 gestarteten Reihe, wirkt die Schauspielerin ebenfalls mit. Die Geschichte knüpft lose an Hennings erste Arbeit für den "Stralsund"-Krimi an: In "Blutlinien" (2020) verkörperte Hartmann eine Jugendfreundin von Kommissarin Nina Petersen (Katharina Wackernagel). Damals wurde bei Bauarbeiten in der Garage des Elternhauses von Maren Brandt (Hartmann) die Leiche einer vor gut zwanzig Jahren verschwundenen jungen Frau entdeckt.

Nun ist Maren auf ähnliche mittelbare Weise in die Handlung verwickelt: Jo, der dritte Teenager, ist ihr Sohn, weshalb es schließlich zu einem Finale kommt, in dessen Verlauf Maren ohne Rücksicht auf Verluste nur noch ihrem Mutterinstinkt folgt.

Bis dahin erzählt Henning, dessen Filme zwar stets sehenswert sind, aber nur selten typische Krimispannung entwickeln, eine Art "Bonnie & Clyde"-Geschichte mit Jugendlichen, weshalb die Handlung zumindest thematisch stark an einen "Tatort" aus Köln erinnert: "Kartenhaus" (2016) spielte größtenteils in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung; der wichtigste Schauplatz von "Wilde Hunde" ist ein heruntergekommener Bauernhof.

Hier kümmert sich eine Pflegemutter (Catrin Striebeck) ganz allein um ein halbes Dutzend Kinder, darunter auch Mario und die aus Polen stammende Daria. Nach dem Tod des Jungen wird Jo, der mittlerweile im Besitz von Marios Waffe ist, dessen Nachfolger an Darias Seite. Auf diese Weise entspinnt sich eine Beziehung, die dem Drama immerhin einige romantische Momente verschafft, bis Daria ihre Verlobung mit Champagner feiern will und vor dem Supermarkt von einem Polizisten erkannt wird; und nun nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Hennings bislang bester Film war das Kinodrama "Zwischen den Jahren" (2017) mit Peter Kurth als Mörder, der nach verbüßter Haftstrafe von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Auch seine TV-Filme waren meist besonders, darunter ein "Tatort" ("Der Turm", 2018) über mysteriöse Vorgänge in einem Bürohochhaus. Gestalterisch sind seine Filme allerdings eher zurückhaltend; am bemerkenswertesten in dieser Hinsicht sind in "Wilde Hunde" die winterlichen Impressionen, die die melancholische Stimmung des Krimidramas verstärken.

Von herausragender Qualität ist allerdings Hennings Arbeit mit dem Ensemble. Gerade die Jugendlichen sind ausgezeichnet geführt. Lea Drinda hat zuletzt im Auftakt zur neuen ZDF-Krimireihe "Theresa Wolff" (als pfiffige Praktikantin der Titelfigur) den exzellenten Eindruck bestätigt, den sie als Ensemblemitglied der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" hinterlassen hat. Sehr präsent ist auch Jack Owen Berglund, der seine Kameraerfahrungen bislang vor allem als Filmsohn von Charly Hübner im "Polizeiruf" aus Rostock gesammelt hat. Seine prägendste Episode war "Kindeswohl" (2019), ebenfalls ein Krimidrama über kriminelle Jugendliche. Die Hauptrolle spielte Junis Marlon, der auch in "Wilde Hunde" überzeugt und längst eine Art Spezialist für gebrochene junge Figuren ist.