TV-Tipp: "Schon tausendmal berührt"

Alter Röhrenfernseher steht vor einer Wand
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
28. Januar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Schon tausendmal berührt"
"Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert. Tausend und eine Nacht, und es hat Zoom gemacht": Das größtenteils nicht mehr ganz junge Stammpublikum der Freitagsfilme im "Ersten" dürfte keine Probleme haben, zumindest den Refrain von Klaus Lages Liebeslied (1984) mitzusingen.

"Schon tausendmal berührt" ist gewissermaßen die Verfilmung des Hits und bedient sich zudem des schon tausendmal erzählten Romanzenmusters von der Frau, die einst vor der Enge ihrer ländlichen Heimat in die große weite Welt geflohen ist, nun zurückkehrt und feststellt, dass die früheren Gefühle für ihre Jugendliebe nie erloschen sind: Ella (Inez Bjørg David) und Flo (Leo Reisinger) waren bereits als Kinder im oberbayerischen Bad Friedlingen unzertrennlich. Gemeinsam mit Sabrina (Elena Uhlig) bildeten sie die drei Musketiere. Als die Freundin heiratet, kommt es endlich zum ersten Kuss. Der Film genießt diese beim innigen Tanz ausgetauschte Zärtlichkeit regelrecht, spart aber aus, wie es weitergeht, und kommt direkt zum unromantischen Teil: Weil sie kein Kondom hatten, müssen die beiden den Apotheker wegen der "Pille danach" aus dem Bett klingeln. 

Sechs Wochen später stellt Ella fest, dass das Mittel nicht funktioniert hat. Die erfolgreiche Anwältin kann sich zwar durchaus vorstellen, irgendwann Kinder zu bekommen, aber nicht ausgerechnet jetzt, da sie drauf und dran ist, Juniorpartnerin einer angesehenen Münchener Kanzlei zu werden, vorausgesetzt, sie erfüllt einen wichtigen Auftrag zur Zufriedenheit ihrer Chefin (Nicole Marischka): Eine prominente Sängerin (Ursula Karven) hat eine Produktlinie für Naturkosmetika entwickelt und sucht einen Standort für ihr Unternehmen.

Die Wahl ist auf Ellas idyllischen Heimatort gefallen, weshalb sie selbstredend prädestiniert ist, die Kaufverträge mit den jeweiligen Grundstücksbesitzern unter Dach und Fach zu bringen. Es gibt nur ein Problem: Ein Bach ist in den Plänen für die Produktionsanlage nicht vorgesehen und müsste weichen. Um den Umweltfrevel zu verhindern, haben die Friedlinger einen Aktionskreis gegründet. Den Rat hatte ihnen ausgerechnet Ella gegeben, als sie noch keine Ahnung von dem Mandat hatte. Wortführer der Gruppe ist natürlich Biobauer Flo, der wiederum keine Ahnung hat, dass er Vater wird. 

Das mag alles nicht sonderlich aufregend klingen, aber Judith Westermann (Regie und Buchbearbeitung) hat Helena Hofmanns erstes Langfilmdrehbuch mit großer Wärme und viel Sympathie für die Figuren umgesetzt. Sie hat bereits als Autorin Geschichten mit ganz ähnlichem Tonfall erzählt, etwa "Fischer sucht Frau" (2018), ebenfalls im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstanden, eine sympathische Komödie über einen jungen Mann, der sich in seinem Heimatdorf als Heiratsvermittler versucht. Freitagsfilme sind allerdings nur bedingt für ihren innovativen Anspruch bekannt, weshalb auch Westermanns erste Regiearbeit nach einigen Kurzfilmen das Genre nicht neu erfindet, selbst wenn die Handlung noch einen Haken schlägt: Ella handelt einen Kompromiss aus, wird aber von einer intriganten Konkurrentin (Marie Nasemann) in der Kanzlei perfide hintergangen und gilt nun im Dorf als Verräterin.

Das ästhetische Konzept ist dagegen nicht weiter überraschend: Die Kanzlei ist kühl und in ähnlichen Grautönen gehalten wie die Kleidung des Personals, Ellas Elternhaus und Sabrinas Lokal sind hell und freundlich und daher die pure Heimeligkeit. Dass Ella anders ist als ihre Kolleginnen, zeigt sich schon zu Beginn, als sie barfuß zur Arbeit kommt und die knallroten High Heels erst in der Kanzlei anzieht. Ihren allmählichen Sinneswandel dokumentiert das Kostümbild mit der Rückkehr zum bunten Klamottenstil ihrer Jugend. 

"Schon tausendmal berührt" hat neben der sorgfältigen Lichtarbeit auch schöne herbstliche Natur- und Landschaftsbilder (Kamera: Thorsten Harms) zu bieten, aber es ist vor allem die Leistung des Ensembles, die den Film zu einer besonderen Liebesgeschichte machen. Ausnahmslos alle Mitwirkenden sind perfekt besetzt. Die kregle beste Freundin mag eine Paraderolle für Elena Uhlig sein, doch sie hat sich Sabrina derart gut gelaunt angeeignet, dass die Figur wie für sie geschrieben wirkt. Leo Reisinger, Titeldarsteller der Degeto-Reihe "Toni, männlich, Hebamme", ist als "Mehrzweckengel" der personifizierte Sympathieträger, zumal er hier auch noch Musik machen kann, und Inez Bjørg David ist ohnehin ein Gewinn für jede Produktion. Heinz-Josef Braun schließlich, in Heimatfilmen gern als Bösewicht besetzt, wird sich gefreut haben, Ellas liebevollen Vater Roland verkörpern zu dürfen. Wenn die Kamera die Lesebrille auf dem Nachttisch seiner verstorbenen Frau zeigt, als wäre sie bloß kurz fort, ist mit diesem Bild alles über seine Trauer gesagt. Sehr prägnant ist auch eine winzige Rolle für Maya Haddad als Frauenärztin, die Ella attestiert, ihr Uterus sei "auf Krawall" gebürstet, was Ellas inneren Konflikt verschärft: Diese Schwangerschaft ist womöglich ihre einzige Chance, ein Kind zu bekommen.

Die Geschichte ist ohnehin nicht zuletzt dank der oft sehr witzigen Dialoge und einiger effektvoll verkürzter Szenen heiter verpackt, aber hintergründig geht es auch um ernste Themen; gerade die Vater/Tochter-Gespräche über die Leerstelle, die der Tod der Mutter hinterlassen hat, sind sehr berührend.