TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Wilde Hunde"

Alter Röhrenfernseher vor Wand
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
20. Januar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Wilde Hunde"
Wie die meisten Dörfer ist auch das beschauliche Schwanitz an der Küste Ostholsteins ein friedlicher Ort. Deshalb waren die aufregendsten Krimis der ARD-Reihe "Nord bei Nordwest" stets jene, in denen das Verbrechen aus der Großstadt Einzug hielt: weil wahlweise Tierarzt Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) oder zuletzt Polizistin Hannah Wagner (Jana Klinge) von ihrer früheren Vergangenheit im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität eingeholt wurden.

Ansonsten dürfte die Anzahl der Vergehen jedoch ähnlich überschaubar sein wie in den meisten anderen Paar-Tausend-Seelen-Ortschaften. Vermutlich ist es gar nicht so einfach, sich plausible Delikte auszudenken, damit Jacobs, der sich das Revier seit dem Tod von Wagners Vorgängerin Lona Vogt mit deren Nachfolgerin teilt, nicht bloß seinem Zweitberuf nachgeht; um die veterinärischen Aufgaben kümmert sich mittlerweile ohnehin die zur Partnerin beförderte Praxishilfe Jule Christiansen (Marleen Lohse). Neben der Verbrechensbekämpfung ist zwar auch die nie erklärte Zuneigung zwischen diesen beiden ein ständiges Thema der Filme, aber das ist auf Dauer nicht abendfüllend; zumindest nicht in einem Krimi. 

Wie die meisten Episoden beginnt auch die siebzehnte mit einem Kratzer auf dem ansonsten idyllischen Gesamtbild: Dorfquerulant Schuster (Till Huster) weist Wagner darauf hin, dass die Räder ihres Dienstwagen auf dem Bürgersteig stehen. Kurz drauf denunziert der Mann, der eine Standleitung zum Ordnungsamt hat, niemanden mehr: Anscheinend hat er sich aufgehängt. Jacobs glaubt jedoch nicht an Suizid, zumal sich Schuster gerade erst beim Lieferservice Essen bestellt hat. Die Ermittlungen führen zu einer nahen Hundepension mit dem schönen Namen Eden. Der Betreiber, Kai Schwarz (Uke Bosse), ist allerdings ein wenig sympathischer Typ, der garantiert Dreck am Stecken hat. Tatsächlich ist das Hundehotel die Fassade eines Schmuggels in großem Stil: Schwarz benutzt die Vierbeiner als sogenannte Mulis, um ein im Rest der EU noch nicht zugelassenes Palliativmedikament über die polnisch-deutsche Grenze zu transportieren. 

Die reine Krimistory würde im Grunde auch eine Serienfolge füllen; der Reiz von "Wilde Hunde" resultiert aus der Zeichnung der Figuren und den Details, mit denen Reihenschöpfer Holger Karsten Schmidt sein Drehbuch angereichert hat. Sehr interessant ist beispielsweise ein Blumenkindpärchen (Jing Xiang, Max Thommes), das mit seinem "Love & Peace"-Bus ("Don’t worry, be hippie") die Kurierfahrten für Schwarz durchführt. Ihr cholerischer Chef, der dazu neigt, gern mal auf 180 zu sein, wie seine Pulsuhr regelmäßig bestätigt, nennt die beiden bloß "die Biotrottel", weil sie offenbar etwas unterbelichtet sind: Er macht ihnen weis, die Medikamente seien für ein Kinderhospiz, was er regelmäßig mit Bildern von dankbar in die Kamera winkenden Jungen und Mädchen belegt.

Mit Hilfe des Duos sorgt Schmidt zum Schluss allerdings für einen von "Kommissarin Heller"-Regisseurin Christiane Balthasar optisch angemessen reizvoll umgesetzten Knüller. Sehr hübsch ist auch der Einfall, wie Jacobs und Wagner den Schurken am Ende doch noch überführen können. Dass sich Schwarz außerdem mit Partnern rumärgern muss, die den Medikamentenhandel auf eigene Rechnung betreiben wollen, beschert dem Krimi zwar eine weitere Leiche, ist im Grunde jedoch nicht weiter wichtig. 

Gleiches gilt für eine Nebenebene, die wie eine Beschäftigungsmaßnahme für Marleen Lohse wirkt. In der Praxis taucht ein Mann (Felix Knopp) auf, dessen Hund in großer Gefahr schwebt: Das Tier hat in einem Köder versteckte Rasierklingen geschluckt. Auf diese Weise kann Schmidt ein interessantes psychologisches Phänomen in die Handlung einbauen, aber mit der eigentlichen Geschichte hat dieser Teil des Films ebenso wenig zu tun wie die amüsantesten Szenen des Films: Weil sich Jacobs und Wagner nicht sicher sind, ob die beim jugendlichen Dorfdealer konfiszierten Haschkekse tatsächlich Rauschgift enthalten, konsumieren sie die Plätzchen gemeinsam mit Jule kurzerhand selbst, was zu allerlei ansteckenden Albernheiten führt.

Die entsprechende Tiefenentspannung ist typisch für "Wilde Hunde". Der Stil, den Balthasar bei ihrer ersten Arbeit für die Reihe gewählt hat, passt perfekt zur Geschichte: Spannung kommt erst gegen Ende auf. Bis dahin erfreut der Krimi dank diverser Heiterkeiten vor allem als Komödie. Witzig sind aber nicht nur die Dialoge, sondern auch optische Einfälle wie jener, als über der noch unter dem Eindruck der Kekse stehenden Jule nicht der Ventilator, sondern die Decke rotiert.