Klimaforscher warnen vor einer "lebensfeindlichen Welt"

Klimaforscher warnen vor einer "lebensfeindlichen Welt"

Hamburg (epd). Der Klimawandel schreitet in Deutschland schneller voran als andernorts. Während die globale Temperatur im Mittel um etwa 1,1 Grad über der Zeit von 1881 bis 1910 liegt, sind es in Deutschland fast 1,6 Grad, wie ein Faktenpapier des Deutschen Wetterdienstes belegt, das am Mittwoch zum Auftakt des 11. Extrem-Wetter-Kongresses in Hamburg präsentiert wurde.

Das Papier zeigt zudem, dass die Menge der Niederschläge beim Ahr-Hochwasser im Juli mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Klimawandel deutlich geringer ausgefallen wäre. Ebenso sieht es eine Zunahme von Hitzewellen und Dürren. „Aber wir haben noch eine Chance, die drohenden Folgen der Klimaveränderung zumindest zu dämpfen“, sagte Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst.

Bis Freitag diskutieren Wissenschaftlerinnen und Experten auf dem Kongress mit Vertreterinnen und Vertretern aus Gesellschaft, Medien, Kultur, Wirtschaft und Politik über die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung.

„Wir verlassen gerade den klimatischen Wohlfühlbereich“, sagte der Kieler Klimaforscher Mojib Latif vor der Eröffnung des Kongresses. Er warnte vor einer „lebensfeindlichen Welt“, wenn die Menschen weiter auf eine globale Erwärmung von drei Grad zusteuerten. Der Hitzesommer 2018, der Temperaturrekord von 41,2 Celsius im Jahr 2019 und die diesjährige Flutkatastrophe zeigten, dass der Klimawandel auch Deutschland fest im Griff habe. „Die Welt muss handeln“, sagte Latif.

Die Experten sind sich einig, dass der Mensch Treiber des Klimawandels ist. Klimawandel habe es zwar immer schon gegeben, aber nicht so schnell, sagte der Meteorologe und Fernsehmoderator Sven Plöger. „Wir erleben in 30 Jahren Veränderungen, für die die Natur allein 100 Jahre bräuchte“, so Plöger. Er plädierte allerdings dafür, die Berichterstattung über den Klimawandel positiver zu gestalten. „Die Klimakommunikation muss unsere Chancen voranstellen und nicht die Angst vor einer Apokalypse befeuern.“ Die Menschen würden sonst den Mut verlieren und glauben, nichts erreichen zu können.

Frank Böttcher von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft erklärte, die zu erwartenden Entwicklungen im Klimasystem seien für die Menschheit beherrschbar, müssten nun aber dringend angegangen werden. Er sieht bei vielen Unternehmen bereits eine größere klima- und umweltfreundlichere Entwicklung als in der Politik. „Die neue Bundesregierung wird hier nicht nur aufholen müssen. Sie muss den Unternehmen, die den Transformationsprozess vorantreiben, auch die noch vorhandenen Wettbewerbsnachteile nehmen“, so Böttcher.