TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Ein Killer und ein Halber"

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23.September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Ein Killer und ein Halber"

Während die Kommissare im "Tatort" bloß älter werden, dürfen sich die Hauptfiguren zumindest in einigen der Donnerstagskrimis im "Ersten" weiterentwickeln. Gerade "Nord bei Nordwest" ist ohnehin ähnlich wie eine Romanreihe aufgebaut, weil der Autor und Schöpfer Holger Karsten Schmidt immer wieder auf frühere Ereignisse zurückgreift. Das Drehbuch zu "Ein Killer und ein Halber" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2020) stammt allerdings von Niels Holle, der bereits die Episode "Frau Irmler" (2019) geschrieben hat. Der Film war dank diverser Verbeugungen vor Alfred Hitchcock wesentlich cleverer und kurzweiliger als die Beiträge zuvor.

Diesmal erlaubt sich Holle den Spaß, auf eine frühere Figur zurückzugreifen: Nachdem die Schwanitzer Polizistin Lona Vogt (Henny Reents in ihrem vorletzten Film der Reihe) beinahe bei einer Bombenexplosion gestorben wäre lag, tastet sie sich mit Hilfe von Hauke Jakobs (Hinnerk Schönemann) in den beruflichen Alltags zurück. Der Tierarzt und ehemalige Kommissar hatte sich zumindest halbwegs reaktivieren lassen, als Lona im Koma lag, und darf daher offiziell ermitteln, als in einem Streusalzkasten ein Mann mit durchschnittener Kehle gefunden wird. Die saubere Arbeit spricht für einen Profi. Als er und Vogt die Identität des Opfers feststellen, ist höchste Eile geboten, denn zur gleichen Zeit macht sich in Schwanitz ein Mann gleichen Namens an Jacobs’ Freund und Ex-Kollegen Timo (Lasse Myhr) ran. Der Kommissar hat als verdeckter Ermittler dafür gesorgt, dass einem Mafia-Boss der Prozess gemacht werden kann. Bevor er für Jahre im Zeugenschutzprogramm verschwindet, möchte er sich von Jacobs’ Assistentin Jule (Marleen Lohse), in die er sich bei seinem letzten Besuch ("Frau Irmler") verliebt hat, verabschieden; oder sie überreden mitzukommen. Jacobs hat allerdings keinerlei Verständnis für die Aktion, weil Timo damit nicht nur sein Leben, sondern auch das von Jule gefährdet.

Tatsächlich zieht das Tempo des Films etwa zur Hälfte merklich an. Bis dahin ist "Ein Killer und ein Halber" ein sanft erzählter, mit angenehmer Musik unterlegter Familienfilm. Wenn Szenen am Meer spielen, sorgt die Kamera (Uwe Neumeister) stets dafür, dass das Sonnenlicht in den Wellen glitzert. Der Tonfall ändert sich, als Vogt und Jacobs klar wird, dass ein Killer auf Timo angesetzt worden ist. Nun überschlagen sich die Ereignisse, als wollten Holle und Regisseurin Nina Wolfrum wie ein Langstreckenläufer mit einem Zwischenspurt die vertrödelte Zeit aufholen. Allerdings ist der Film aller Gemütlichkeit zum Trotz auch in der ersten Hälfe schon sehenswert, weil sich Wolfrum, die ihre Erfahrungen vor allem bei Serien wie "Jenny – Echt gerecht" (RTL) sowie "Milk & Honey" (Vox) gesammelt hat, viel Zeit für die Beziehung zwischen dem Polizistenpaar nimmt. Lona wehrt sich zwar gegen das "betreute Ermitteln", aber die Fürsorge des Tierarztes schätzt sie trotzdem. Außerdem leidet sie offenkundig unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb ihr der Killer entkommen kann.

Die zweite Filmhälfte könnte für Menschen, die an "Nord bei Nordwest" vor allem die Gelassenheit schätzen, fast zu spannend werden. Das Drehbuch deutet die spätere Wende allerdings schon früh an. Die Mitwirkung von Leonard Carow ist ohnehin ein eindeutiges Signal: Der bedauernswerte Schauspieler muss seit seiner Jugend stets junge Männer neben der Spur verkörpern. Hier spielt er als zweite Titelfigur den Lehrling des leicht schrägen Bestatterduos Töteberg & Bleckmann (Stephan A. Tölle, Regine Hentschel): Azubi Matti hatte offenbar schon immer eine Schwäche für den Tod; später wird ihm der Killer (Niels Bormann), der in dem jungen Mann einen Bruder im Geiste erkennt, attestieren, es sei doch schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen könne. Die gegenseitige Sympathie wird Matti nicht daran hindern, anlässlich des mit allerlei unerwarteten Wendungen aufwartenden und entsprechend fesselnden Finales die Seiten zu wechseln. Davon abgesehen erfreut Holles Drehbuch durch amüsante Beiläufigkeiten und schrullige Nebenfiguren, etwa einen Fußchirurgen, der sich als "pedophil" bezeichnet und Patienten nicht anhand ihrer Gesichter, sondern ihrer Füße wiedererkennt. Ähnlich erheiternd ist der berufliche Sarkasmus der Bestatter ("S-Kurve oder Altenheim?"), die in diesem Film noch ziemlich viel Arbeit bekommen.