Zuversichtsbrief - Woche 68: Ein Wunder!

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Zuversichtsbrief - Woche 68: Ein Wunder!

Da kamen seine Jünger zu ihm und sagten: „Es ist eine einsame Gegend hier, und es ist schon sehr spät. Schick doch die Leute weg. Dann können sie in die umliegenden Höfe und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen.“ Aber Jesus antwortete: „Gebt doch ihr ihnen etwas zu essen.“ Da sagten sie zu ihm: „Sollen wir etwa losgehen und für 200 Silberstücke Brot kaufen und es ihnen zu essen geben?“ Jesus fragte sie: „Wie viele Brote habt ihr dabei? Geht und seht nach.“ Als sie es herausgefunden hatten, sagten sie: „Fünf, und zwei Fische.“ Dann ordnete Jesus an: „Alle sollen sich in Gruppen zum Essen im grünen Gras niederlassen.“ So setzten sich die Leute in Gruppen zu hundert oder zu fünfzig. Dann nahm Jesus die fünf Brote und die zwei Fische. Er blickte zum Himmel auf und dankte Gott. Dann brach er die Brote in Stücke und gab sie seinen Jüngern, die sie verteilen sollten. Auch die zwei Fische ließ er an alle austeilen. Die Leute aßen, und alle wurden satt. Danach sammelten sie die Reste von Brot und Fisch, die sie übrig gelassen hatten – zwölf Körbe voll.

Markus 6,35−43. Hören Sie die ganze Geschichte von der Speisung der 5000 hier vorgelesen von Helge Heynold!

Liebe Sonnenhungrige und -satte,

ab und zu kommt es vor, dass wir uns mit Dingen auseinandersetzen müssen, die wir sonst lieber links liegen lassen. Mir ging das im Mai beim virtuellen Kirchentag so. Dessen Motto lautete „Schaut hin!“, und diese Aufforderung stammte aus der „Speisung der 5000“. Jesus fordert in der Erzählung seine Jünger auf, nachzusehen, wie viel Proviant sie dabeihaben, als die vielen Leute um sie herum hungrig werden.

Eigentlich mochte ich diese Geschichte recht gern, doch irgendwann war ich es satt, dass dieses Speisungswunder Jesu ständig auf dieselbe Weise erklärt wurde: Dadurch nämlich, dass die Jünger anfingen, die eigenen fünf Brote und die zwei Fische auszuteilen, begannen auch alle anderen, das Eigene mit den anderen zu teilen. So hübsch diese Interpretation auch ist, sie schlägt einen etwas traurigen Weg ein, weil sie versucht, sich das Wunder rational zu erschließen. Ich verstehe den Ansatz dahinter. Wo sich mein Verstand nicht sträuben muss, da bin ich schneller mit meiner Zustimmung. Das gilt vor allem dann, wenn eine Geschichte eine so schöne Moral hat, wie diese. Wenn alle abgeben, werden alle satt. Der Satz ist richtig, aber mein Verstand sträubt sich ebenfalls, wenn ich mir vorstellen soll, dass dies der Grund sein soll, warum diese Geschichte in der Bibel steht.

Außerdem mag ich es generell nicht, die biblischen Wundergeschichten rational erklären zu wollen. Wenn man damit anfängt, wird man anschließend versuchen, die Schöpfungsberichte doch irgendwie für historisch zu erachten. Man wird nach Überresten der Arche auf Bergen im Nahen Osten suchen, nach der geeigneten Stelle für den Durchzug durch das Schilfmeer und nach den Steinen, die Jesus dabei halfen, übers Wasser zu gehen. Schließlich wird man aufgeben müssen, und die Bibel wird man vielleicht enttäuscht weglegen, weil sie ja nicht „stimmt“.

Der Kirchentag bescherte mir also ein Wiedersehen mit einer Geschichte, der ich recht ambivalent gegenüberstehe. Zu allem Überfluss verlief das Gespräch, das ich mit zwölf anderen Menschen über die Speisungsgeschichte führte, in genau die Richtung, die ich hatte vermeiden wollen. Wir fragten uns, ob hier wohl überhaupt ein Wunder geschehen war, oder ob nicht lediglich alle in ihre Vorräte gegriffen hätten. Wir fragten uns: Ist hier ein Wunder geschehen? Und wenn ja, worin besteht es?

Auf unserer Suche stellten wir fest, dass es in der Geschichte um noch etwas anderes als um Magenknurren geht, das gestillt wird. Die Tausenden Menschen sind schließlich nicht zum Essen an den Ort des Geschehens gekommen. Ursprünglich wollte Jesus mit seinen Jüngern allein sein. Darum fuhren sie mit dem Boot über den See Genezareth. Doch die Leute sahen, wohin sie fahren würden, und liefen auf dem Landweg voraus. So kamen sie noch vor Jesus in der verlassenen Gegend an und konnten das bekommen, was sie wollten: die Nähe und die Worte Jesu. Die Menschen sind längst satt, als die Jünger feststellen, dass ihnen der Magen knurrt. Oder anders ausgedrückt: Der Tisch ist bereits gedeckt für das gemeinsame Essen von Broten und Fischen. Das Wunder ist, dass Jesus satt macht, dass er alles gibt, was wir brauchen. Dabei können wir helfen. Wir können austeilen und abgeben. Trotzdem bleibt es Jesus, der das Wunder bewirkt, weil er mehr zu verteilen hat als Nahrung.

Die Wochenaufgabe für diesmal möchte ich bewusst sehr kurz und offen formulieren. Ihre Fantasie ist also gefragt. Es würde mich freuen, wenn Sie mit der Anregung etwas anfangen können: Machen Sie ein Picknick und lassen Sie dabei ein Wunder geschehen!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche!

Ihr Frank Muchlinsky