TV-Tipp: "Falk"

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TV-Tipp: "Falk"
24. November, ARD, 20.15 Uhr
Wenn es mehr Anwälte wie Falk gäbe, würde es vermutlich etwas gerechter auf der Welt zugehen; aber vor allem wäre in den Gerichtssälen mehr los.

Zum Auftakt der neuen Staffel demonstriert der Düsseldorfer Jurist (Fritz Karl), warum zwei bestimmte Chemikalien nicht im selben Raum gelagert werden sollten. Die Vorführung mit Knalleffekt hat unter anderem zur Folge, dass die attraktive Gerichtsreporterin Clémentine auf Falk aufmerksam wird. Die Journalistin ist gebürtige Französin, ihr Name spricht sich also weder wie die Obstsorte noch wie die einstige Ariel-Werbefigur aus; und Jeanne Tremsal ist ein erheblicher Grund, warum die zweite Staffel der ARD-Serie womöglich noch sehenswerter ist als die erste. Ein weiterer ist Bianca Nawrath. Die junge Schauspielerin, ganz famos als Filmtochter von Lucas Gregorowicz in der Italienkomödie "Papa hat keinen Plan" (2019), spielt die Tochter von Falks Kanzleipartnerin Sophie Offergeld (Mira Bartuschek). Marie ist zwanzig, kommt gerade von einer Amerikareise zurück und soll nach dem Willen ihrer Mutter an einer Elite-Uni in den USA studieren, aber daraus wird erst mal nichts: Marie ist schwanger.

Schon allein die Erweiterung des Ensembles um eine junge Figur tut den sechs neuen Folgen gut, zumal sich die Autoren viele kesse Kommentare für Nawrath ausgedacht haben. Die besten Dialoge hat jedoch selbstverständlich der Titelheld, und Fritz Karl erweist sich erneut als perfekte Besetzung für diese Rolle. Falk wirkt nicht mehr ganz so dünkelhaft und blasiert wie in der ersten Staffel, zeichnet sich aber natürlich nach wie vor durch einen Kleidungsstil aus, der mit dem Prädikat "extravagant" nur unzureichend beschrieben ist; Kostümbildner Matthias Vöcking hatte bestimmt großen Spaß bei seiner Arbeit. Falks farbige Socken bewahren ihn allerdings nicht davor, von Clémentine als "Spießer mit bunten Klamotten" tituliert zu werden. Tatsächlich entpuppt sich der Jurist all’ seiner unkonventionellen Methoden, seines juristischen Scharfsinns und seiner Misanthropie zum Trotz als im Grunde bedauernswerter Mensch, der in einem Hotelzimmer mit denkbar hässlicher Tapete lebt und keine Freunde hat. Einzige Vertraute ist seine Ärztin (Sonja Baum), der er von immer wieder neuen Symptomen berichtet: Falk ist überzeugt, wie sein Vater an Alzheimer zu leiden. In der ersten Staffel hatte er bereits die Vision vom eigenen Grab, diesmal ziehen sich die Gespräche mit einem Priester (Bill Mockridge) wie ein roter Faden durch die Folgen; einen Urnenplatz hat er sich bereits gesichert, eine Inschrift weiß er auch schon ("Hier ruht Falk und warum auch nicht").

Ähnlich wie in der vom tragikomischen Tonfall her vergleichbaren ARD-Anwaltsserie "Die Heiland" verlassen sich die Drehbücher nicht allein auf die Hauptfigur, auch die Herausforderungen fallen aus dem Rahmen. Der erste neue Fall ist im Grunde tieftraurig und entspricht damit exakt der Melancholie, die sich bei aller Heiterkeit subtil durch die Serie zieht: Falk bekommt Besuch von einem Ehepaar (Felix Vörtler, Barbara Philipp), zu dem sich Drehbuchautor Peter Güde garantiert durch einen der bekanntesten Loriot-Sketche hat inspirieren lassen: "Ich will einfach nur hier sitzen". In seiner Tierhandlung ist Herr Kirchhof eine echte Stimmungskanone, aber daheim schweigt er in sich hinein. Alle Versuche der Gattin, ein Gespräch zu beginnen, prallen an ihm ab, weshalb sie immer wieder buchstäblich bissig wird. Ungewöhnlich ist auch der Fall eines jungen Mannes, der nach seinen Wurzeln forscht; allerdings sucht er nicht seinen Vater, sondern seine Mutter. Bei anderen Klienten geht es zum Teil ganz klassisch um materielle Interessen, aber das Autorenteam, zu dem neben Güde auch Benjamin Hessler und Anneke Jassen gehört, hat die Geschichten so geschickt verpackt, dass sie meist eine unerwartete Wendung enthalten, die Falk den Fällen mitunter erst beim abschließenden Prozess gibt; auch das eine Parallele zu "Die Heiland". Ein wesentlicher Unterschied zur blinden Kollegin aus Berlin sind allerdings Falks Visionen, in denen er zum Beispiel sich und Clémentine als Don Quichotte und Sancho Pansa im Kampf gegen Windmühlen sieht.

Anders als in der ersten Staffel, deren Folgen in sich abgeschlossen waren, gibt es diesmal gleich mehrere horizontale Erzählebenen. Das gilt natürlich für die Romanze zwischen Falk und Clémentine, die einen herben Dämpfer erhält, als sich der Jurist zum Seitensprung mit der Ärztin hinreißen lässt. Außerdem wird Maries Bauch immer größer. Sophie will sie unbedingt dazu überreden, sich von der gleichen Hebamme (Carmen-Maja Antoni) betreuen zu lassen, die auch Marie auf die Welt geholfen hat, aber die Tochter hätte lieber jemanden, der ein bisschen mehr im 21. Jahrhundert verwurzelt ist. Und dann ist da ja noch Falks früherer Chef, Sophies Vater: Der alte Offergeld (Peter Prager) feiert seinen zweiten Frühling und hat beim Online-Dating eine Influencerin kennengelernt, die halb so alt ist wie er selbst und ihre Fans ständig mit "Neuigkeiten" versorgen muss, was der Senior recht bald ziemlich anstrengend findet. Von besonderer Qualität sind jedoch nicht nur die Figuren und ihre Geschichten, sondern auch die Regie von Peter Stauch (Folgen 7 bis 10) und Stefan Bühling (11 und 12) sowie die gerade bei der Lichtsetzung sehr sorgfältige Bildgestaltung ihrer jeweiligen Kameramänner (Florian Schilling, Marco Uggiano) und die gute Musik (Flo Leissle); ganz zu schweigen von Einfällen wie jenem, zwei Szenen durch einen Papierflieger miteinander zu verbinden.