TV-Tipp: "Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück"

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TV-Tipp: "Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück"
20. November, ARD, 20.15 Uhr
Junge Frau aus der Stadt kehrt unfreiwillig in ihre alte Heimat aufs Land zurück und stellt fest, dass es dort doch eigentlich am schönsten ist. "Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück" ist der Beweis, dass sich dieser abgedroschenen Erzählung durchaus neue Seiten abgewinnen lassen. Die Komödie basiert auf dem gleichnamigen Roman der niederbayerischen Schriftstellerin Angelika Schwarzhuber.

Die Adaption hat sie gemeinsam mit Christan Lex selbst besorgt; die beiden haben neben diversen Serienfolgen (darunter die ARD-Vorabendserie "Watzmann ermittelt") auch das Drehbuch zu dem 2018 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Drama "Eine unerhörte Frau" geschrieben.

Die Komödie handelt von einer jungen Frau, die mit sanftem, aber testamentarisch verfügtem Druck zu ihrem Glück gezwungen wird: Hanna Gruber (Fanny Krausz) ist Bäckerin aus Leidenschaft, hat sich jedoch dem Wunsch der Mutter (Carin C. Tietze) gebeugt und ein Jurastudium in München begonnen. An der Uni war sie indes schon länger nicht mehr; viel lieber möchte sie Teilhaberin eines Cafés werden und dort ihre Köstlichkeiten anbieten. Im Bett hat die Fusion mit Alex (Matthias Gärtner) schon mal gut geklappt, der Rest ist Formsache, aber Großmutter Berta hat andere Pläne: Die alte Frau hat kurz vor ihrem Ableben verfügt, dass Hanna und ihr Cousin Max (Daniel Gawlowski) gemeinsam vier Wochen auf dem Bauernhof der Familie verbringen müssen; andernfalls fällt das Anwesen an die katholische Kirche.

Zu den Aufgaben der beiden gehört nicht nur die Versorgung der Tiere, sondern auch das Ausmisten des Gerümpels auf dem Speicher. Hanna hat zwar gerade jetzt, da sie gemeinsam mit Alex das soeben gepachtete Café renovieren will, gar keine Zeit, aber der Hof soll der Familie erhalten bleiben, zumal sie dort ihre glückliche Kindheit verbracht hat. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten – Aufstehen um halb sechs, um die Schweine zu füttern – will sie gar nicht mehr weg. Oma Berta hat das natürlich geahnt: Das Testament kommt einem romantischen Komplott gleich, denn der Speicher birgt ein dreißig Jahre altes Familiengeheimnis.

"Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück" ist eine dieser Produktionen, die gemeinhin als "Gebrauchsfernsehen" gelten. Der Film wird höchstwahrscheinlich auf keiner Fernsehpreisliste auftauchen und dürfte auch beim Publikum vermutlich bald wieder in Vergessenheit geraten. Diese nüchterne Betrachtungsweise wird Buch und Regie allerdings nicht annähernd gerecht, denn die Geschichte und ihre Umsetzung sorgen für neunzig Minuten Wohlbefinden. Thomas Kronthaler, der schon mehrere sehenswerte Landwirtschaftskomödien gedreht hat ("Das Leben ist ein Bauernhof", "24 Milchkühe und kein Mann", "Schluss! Aus! Amen!", 2012 bis 2014), und sein Kameramann Christof Oefelein haben die Bilder vom Bauernhof in ein Licht getaucht, das selbst die Innenaufnahmen sonnendurchflutet wirken lässt. Die warmen Farben haben zur Folge, dass sich Hauptfigur und Zuschauerschaft umgehend geborgen fühlen. Übertroffen wird dieses Gefühl nur noch durch die verklärten Rückblenden in Hannas Kindheit, in der sich Max und sie ewige Freundschaft geschworen haben. Die unbeschwerte Zeit endete abrupt, als eines Tages aus heiterem Himmel ihr Vater gestorben und sie gemeinsam mit der Mutter in die Stadt gezogen ist.

Unbedingt sehenswert ist "Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück" vor allem wegen Fanny Krausz; die Wienerin sorgt neben den guten Drehbüchern sowie Florian Teichtmeister und Michael Fitz regelmäßig dafür, dass die ZDF-Reihe "Die Toten von Salzburg" aus dem Krimialltag herausragt. Sie ist der konkurrenzlose Star des Films, selbst wenn Oefeleins Kamera von Hannas Backkunst ähnlich verzückt ist; die Komödie, die sich erst spät als Liebesgeschichte entpuppt, macht große Lust auf feine Backwaren. Die Sorgfalt von Buch und Regie zeigt sich nicht zuletzt auf der sprachlichen Ebene: Die junge Hanna spricht in den Rückblenden ausgeprägtes Bairisch. Als Erwachsene hat sie den Dialekt offenbar abgelegt, aber je mehr Zeit sie auf dem Bauernhof verbringt, desto stärker kehrt er zurück: weil der Film, wie sich zeigt, die Geschichte einer Identitätsfindung erzählt.

Die Besetzung der weiteren Figuren ist ähnlich treffend. Daniel Gawlowski und Matthias Gärtner passen ebenso perfekt zu ihren Rollen wie Carin C. Tietze als Hannas Mutter Hermine, Doris Buchrucker als Großmutter, Xenia Tiling als Hannas beste Freundin sowie Heio von Stetten als katholischer Pfarrer, dem Hermine unterstellt, er habe die ganze Sache eingefädelt, damit sich die Kirche den Hof unter den Nagel reißen kann. Gut geführt ist auch Helena Schönfelder als Hannas kleine Schwester; die gemeinsamen Momente der beiden sind genauso glaubwürdig wie die auf reizvolle Weise von einer irritierenden Spannung erfüllten Versuche von Hanna und Max, irgendwie miteinander klarzukommen.

Den Rest besorgen amüsante Drehbuchideen (die Hühner tragen die Namen der Mitglieder des britischen Königshauses), die abwechslungsreiche Musik (Martin Unterberger) und die idyllischen Bilder von lauschigen Abenden unter illuminierten Obstbäumen; auf diesem Bauernhof wirkt dank Oefeleins Bildgestaltung selbst der Schweinestall kuschelig.