Erstmals stellt Deutscher Anzeige gegen syrischen Geheimdienst

Erstmals stellt Deutscher Anzeige gegen syrischen Geheimdienst
Das Assad-Regime in Syrien steht wegen Folter und Mord international am Pranger. Auch ein Bundesbürger war in seine Fänge geraten. Jetzt hat er Anzeige erstattet, um zur Aufarbeitung der Verbrechen beizutragen.

Berlin, Karlsruhe (epd). Erstmals hat ein deutscher Staatsbürger Strafanzeige wegen Folter gegen den syrischen Geheimdienst erstattet. Martin Lautwein sei 2018 vom syrischen Militärgeheimdienst 48 Tage lang inhaftiert worden, als er humanitäre Hilfe habe leisten wollen, teilte das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) am Dienstag in Berlin mit.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte den Eingang der Anzeige Lautweins. Der Sachverhalt sei bereits seit zwei Jahren bekannt und Gegenstand von Ermittlungen, sagte ein Sprecher des Generalbundesanwalts dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Laut der Menschenrechtsorganisation ECCHR schloss sich Lautwein Strafanzeigen von syrischen Folterüberlebenden in Deutschland an, um zur Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien beizutragen. In Koblenz läuft seit April der weltweit erste Prozess wegen staatlicher Folter in Syrien.

In Lautweins Anzeige seien zahlreiche Verbrechen aufgeführt, darunter Folter, Tötung und Vergewaltigung, berichteten WDR, SWR und "Süddeutsche Zeitung" (Dienstag). Das syrische Regime habe dem Deutschen vorgeworfen, für einen ausländischen Geheimdienst zu arbeiten, womöglich weil er Kontakt zu Kurden hatte. Auch er selbst sei gefoltert worden. Zudem habe er miterlebt, wie andere brutal misshandelt, vergewaltigt und getötet worden seien. Zwei Tage lang habe er sich gefühlt wie ein Tier.

"Nur wegen meines deutschen Passes konnte ich nach Hause", sagte Lautwein laut der Menschenrechtsorganisation. "Jetzt will ich mein Privileg dafür nutzen, Menschen in Deutschland darauf aufmerksam zu machen, was in Syrien jeden Tag passiert." Den Angaben zufolge war der Deutsche 2018 zusammen mit einem australischen Freund auf offener Straße in Qamischli inhaftiert und nach Damaskus in die Abteilung 235 gebracht worden. Dank diplomatischer Intervention kamen beide frei.

Lautwein habe keine Augenbinde tragen müssen und könne daher detaillierte Angaben zu Folter, sexualisierter Gewalt und menschenunwürdigen Verhältnissen im Gefängnis machen. Mit seiner Aussage könne er belegen, dass solche Zustände auch 2018 und vermutlich bis heute in Syrien unter dem Assad-Regime herrschten, sagte Patrick Kroker vom ECCHR. Bisher hätten Zeugen vor allem von Taten bis 2015 berichtet. Deutschland müsse diese neuen Beweise ernst nehmen und handeln.

Seit April müssen sich vor dem Oberlandesgericht Koblenz zwei ehemalige syrische Geheimdienstfunktionäre wegen Folter und Mord verantworten. 13 syrische Folteropfer hatten Anzeige erstattet. Zudem hat die Bundesanwaltschaft 2018 Haftbefehl gegen den Ex-Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes erlassen. Weitere Schritte müssten folgen, um die Verbrechen in Syrien aufzuarbeiten, forderte ECCHR.