TV-Tipp: "Nackt unter Wölfen" (ARD)

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TV-Tipp: "Nackt unter Wölfen" (ARD)
6.5., ARD, 20.15 Uhr
Als Bruno Apitz 1958 seinen Buchenwald-Roman "Nackt unter Wölfen" veröffentlichte, ging es ihm nicht zuletzt darum, die moralische Überlegenheit des Kommunismus über den Nationalsozialismus zu verdeutlichen; von dieser Haltung ist auch Frank Beyers Defa-Verfilmung aus dem Jahr 1963 geprägt. Reduziert man die Handlung jedoch auf ihren Kern, ist sie eine ähnliche Hommage an die Humanität wie Roberto Benignis tragikomisches KZ-Drama "Das Leben ist schön".

Helden der Geschichte sind einige Männer, die im Frühjahr 1945 ihr eigenes Leben riskieren, um einen kleinen jüdischen Jungen zu retten. Das dreijährige Kind ist in einem Koffer ins Konzentrationslager Buchenwald geschmuggelt worden. Eine Gruppe von Häftlingen nimmt sich des Jungen an und versteckt ihn. Dass sie Kommunisten sind, ist zwar wesentliche Voraussetzung für ihre Sonderstellung innerhalb des Lagers, spielt im Grunde aber keine größere Rolle; Drehbuchautor und Grimme-Preisträger Stefan Kolditz ("An die Grenze") hat sich bei seiner Adaption vor allem auf die mitmenschlichen Aspekte konzentriert. Zentrale Figur ist Hans Pippig (Florian Stetter); Regisseur Philipp Kadelbach und sein Kameramann Kolja Brandt nutzen seine liebevollen Erinnerungen an die Momente mit seiner hochschwangeren Frau als Kontrast zu dem in kühlem Graublau gehaltenen Lagerleben.

Bei Kadelbach ("Hindenburg", "Die Pilgerin") ist die Geschichte ohnehin in guten Händen; kaum zu glauben, dass "Nackt unter Wölfen" erst sein fünfter Film ist und er mit dem Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" (allesamt Produktionen für teamWorx bzw. UFA Fiction) mit nicht mal vierzig Jahren bereits ein Meisterwerk gedreht hat. Wie schon das unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem International Emmy Award ausgezeichnete Kriegs-Epos besticht auch der KZ-Film durch großen optischen Aufwand; aber es sind die Schauspieler, die die Figuren zum Leben erwecken. Auf die ganz großen Stars ist verzichtet worden. Trotzdem sind die zentralen Rollen prägnant besetzt. Zweite Hauptfigur ist Peter Schneider als Kapo: André Höfel ist einer der führenden Köpfe des kommunistischen Lagerwiderstands, der den Genossen Pippig unter seine Fittiche nimmt und ihm einen Job in der Effektenkammer gibt. Hier findet Pippig das Kind im Koffer. Während ihre Mitstreiter fürchten, die Entdeckung des Jungen werde die Pläne für einen Aufstand auffliegen lassen, weigern sich Pippig und Höfel, das Kind auszuliefern. Erst ein Denunziant bringt die SS auf die Spur des kleinen namenlosen Juden, aber selbst unter der Folter schweigt Höfel eisern.

Seine Spannung verdankt das knapp 105 Minuten lange Drama einem doppelten Hoffen und Bangen. Die Lagerinsassen wissen, dass die Amerikaner auf dem Vormarsch sind. Immer wieder wird wie bei einem Countdown die Zahl der Tage bis zur Befreiung am 11. April eingeblendet. Über die Pläne der SS sind die Häftlinge jedoch nicht informiert. Deshalb haben sie sich beizeiten dafür gewappnet, am Tag X die Leitung des Lagers zu übernehmen; und ausgerechnet Höfel kennt nicht nur die Namen sämtlicher Mitstreiter, sondern auch alle Waffenverstecke.

Während Schurkenrollen für Schauspieler wie Rainer Bock und Robert Galinowski nichts Neues sind, gibt es auf Seiten der SS einen Darsteller, der dank seiner charismatischen Diabolik herausragt. Der gebürtige Rumäne Sabin Tambrea, für seine Verkörperung des jungen Ludwig II. 2013 mit dem Bayerischen Filmpreis als Bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet, legt seinen Untersturmführer wie einen typischen Hollywood-Nazi an, der zudem an Ralph Fiennes’ Voldemort in den "Harry Potter"-Filmen erinnert. Endgültig zu einem Meisterwerk wird das herausragend gut fotografierte Drama durch die Musik von Kadelbachs jüngerem Bruder Michael. Als Kinofilm wäre "Nackt unter Wölfen" ein sicherer Kandidat für eine "Oscar"-Nominierung als Bester ausländischer Film. Immerhin gab’s 2016 den Deutschen Fernsehpreis als Bester Fernsehfilm.