TV-Tipp: "Werkstatthelden mit Herz" (ARD)

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TV-Tipp: "Werkstatthelden mit Herz" (ARD)
1.5., ARD, 20.15 Uhr
Die sogenannten kleinen Leute sind für viele Schauspieler eine echte Herausforderung. Kommissare, Ärzte oder Anwälte sind ungleich leichter zu verkörpern als zum Beispiel ein einfacher Arbeiter. Armin Rohde hat schon oft bewiesen, dass er das besser kann als die meisten; erst recht, wenn die kleinen Leute ein großes Herz haben.

Bestes Beispiel sind die 2010 gestarteten "Schnitzel"-Geschichten mit Ludger Pistor, aus der nach vier Filmen mittlerweile sogar eine Serie geworden ist ("Ohne Schnitzel geht es nicht", WDR, 2019). Dort spielt Rohde einen Dortmunder Langzeitarbeitslosen, der mit seinem besten Freund immer wieder neue Pläne schmiedet, um an Geld zu kommen. Carlo, Hauptfigur der Sozialkomödie "Werkstatthelden mit Herz", besitzt zwar eine eigene Kfz-Werkstatt, ist aber auch nicht besser dran: Er hat 50.000 Euro Schulden beim Finanzamt und es außerdem nicht übers Herz gebracht, trotz mieser Auftragslage seine Angestellten zu entlassen; die drei sind seine besten Freunde. Immerhin lässt sich der zuständige Finanzbeamte (Axel Schreiber) auf einen zwölfwöchigen Aufschub ein; allerdings kann nur noch ein Wunder die Werkstatt retten.

Dieses Wunder kommt eines Tages in die Halle gerollt. Moah (Eugene Boateng) verteilt Flyer für das benachbarte Fitnessstudio Body Joy und entwirft einen gewagten Plan. Er schlägt Aslan (Hasan Ali Mete), dem Besitzer des Studios, einen Werbe-Deal vor: Carlo und seine Jungs sollen am Duisburger Marathon teilnehmen und dabei für Body Joy Reklame machen. Werbeträger mit Bierbauche und Kippe, Plattfüßen und Allerweltsgesicht? Das klingt zwar absurd, aber der ebenso expansionsfreudige wie unsympathische Aslan ist schon lange scharf auf Carlos Halle. Deshalb stellt er Bedingungen, die im Grunde unerfüllbar sind: Carlo kriegt 50.000 Euro, wenn das Quartett gemeinsam das Ziel erreicht. Schaffen die vier das nicht, bekommt Aslan Carlos Halle. Und weil er auch in Berlin neue Studios eröffnen will, soll das Quartett am Berlin-Marathon teilnehmen; in acht Wochen.

Damit ist ein Ziel gesetzt, dass unmöglich zu erreichen ist; und das macht die eigentlich gar nicht komische Geschichte zur Komödie. Sport ist offenkundig eine Freizeitbeschäftigung, die Carlo und seine Freunde allenfalls im Fernsehen verfolgen. Dem jungen Roger (Tim Kalkhof) mit seiner athletischen Figur wäre noch am ehesten zuzutrauen, länger als ein paar Kilometer durchzuhalten, aber Carlo und Becker (Heiko Pinkowski) sind mit einer Leibesfülle gesegnet, die mit der Bezeichnung Übergewicht geradezu fahrlässig verharmlost wäre. Köll (Karsten Antonio Mielke), der Vierte im Bunde, ist auch nicht gerade eine Sportskanone. Rollstuhlfahrer Moah ist trotzdem überzeugt, dass sie es schaffen können, und triezt die vier nach allen Regeln der Kunst, was unter anderem dazu führt, dass sie ihn kurzerhand am Fuß einer Treppe zurücklassen und erst mal eine Wurst essen gehen.

Es ist vor allem diese Art von trockenem Humor, die großes Vergnügen bereitet. Und natürlich die Figuren, die alle ihr Päckchen zu tragen haben: Roger ist schwul, will sich das aber nicht eingestehen; Köll kümmert sich liebevoll um das Baby seiner allzu umtriebigen Freundin (Johanna Ingelfinger), obwohl er offenkundig nicht der Vater ist; und Beckers Frau (Hildegard Schroedter) verbringt den lieben langen Tag strickend vor dem Fernseher. In Carlos Privatleben ist dagegen alles in Ordnung, sieht man mal davon ab, dass ihn sein pubertierender Sohn (Yuri Völsch) für einen Versager hält. An der Liebe von Gattin Jutta (Jule Böwe) kann es dagegen keinen Zweifel geben, aber auch für sie ist das Maß voll, als sie rausfindet, was ihr Mann vorhat: Carlo ist herzkrank, der Arzt hat ihm von sportlichen Aktivitäten, die über Angeln hinausgehen, strikt abgeraten; mit einer Teilnahme am Marathon würde er sein Leben riskieren.

Das Drehbuch zu diesem von Lars Montag viel Zuneigung zu den Figuren inszenierten Film ist von Sathyan Ramesh, der schon diverse große Komödien mit ernstem Kern geschrieben hat (zuletzt unter anderem "Matthiesens Töchter" und "Kein Herz für Inder"; diesmal diente allerdings eine holländische Kinoproduktion als Vorlage. Am Schönsten ist der märchenhafte Charakter der Geschichte. Kurz vor Schluss sieht es zwar überhaupt nicht nach Happy End aus, aber schließlich finden alle ihr Glück; auch Moah, der sich in Fitnesstrainerin Heike verliebt hat und selbstredend ebenfalls eine Vorgeschichte mitbringt.

Besonders gelungen ist die Zusammenstellung des Ensembles. Sehr sympathisch sind auch die vielen Einfälle (etwa eine unerwartete Animationssequenz) rings um den im Grunde überschaubaren Handlungskern; sie machen den speziellen Charme des Films aus. Dazu zählt auch ein Mitwirkender namens Adenauer, der in einer bewegenden Szene abdanken muss. Zur sorgfältigen Inszenierung gehört nicht zuletzt die perfekte Einbettung des Quartetts in die Aufnahmen vom echten Berlin-Marathon. Zum krönenden Höhepunkt erklingt die Stadionhymne des FC Liverpool ("You’ll never walk alone", in der Version von Johnny Cash), aber Montag, der unter anderem einige "Kluftinger"-Krimis gedreht hat und in diesem Jahr mit dem Grimme-Preis für die Netflix-Serie "How to sell drugs online (fast)" ausgezeichnet wird, bleibt bis zum Schluss seiner Linie treu: Der Film mag mitunter ein wenig pathetisch werden, aber kitschig ist er auch dank der kernigen Dialoge nie.