TV-Tipp: "Der Zürich-Krimi: Borchert und der fatale Irrtum" (ARD)

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TV-Tipp: "Der Zürich-Krimi: Borchert und der fatale Irrtum" (ARD)
30.4., ARD, 20.15 Uhr
Es kann nicht immer Hochspannung sein. Gemessen an dem packenden Thriller "Borchert und die tödliche Falle" erzählt der achte Film aus der ARD-Reihe "Der Zürich-Krimi" eine zwar interessante und abwechslungsreiche, aber letztlich nicht weiter ungewöhnliche Geschichte.

Ein Mandant von Anwältin Dominique Kuster (Ina Paule Klink) hat einen tödlichen Autounfall. Weil er keine Lebensversicherung besaß, will Kanzleipartner Borchert (Christian Kohlund) rausfinden, ob den Hinterbliebenen anderweitig geholfen werden kann. Der Mann war Diabetiker, vielleicht war ja das Insulin nicht in Ordnung. Bei einer Überprüfung stellt sich raus, dass die Ampullen bloß Wasser enthalten – Christian Hunziker (Thomas Limpinsel) ist ermordet worden. Weil die Täter bei Taten dieser Art meist aus dem engsten Umfeld stammen, ist der Fall für Polizeihauptmann Furrer (Pierre Kiwitt) klar: Die Witwe (Jeanne Tremsal) war’s. Tatsächlich hatte ihr Mann eine Affäre mit einer Kollegin, die zudem schwanger ist. Mord aus Eifersucht: klassischer geht’s nicht. Nach dem üblichen Krimischema geht Borchert nun alle möglichen Alternativen durch. Der Anwalt favorisiert eine ganz andere Lösung als Furrer: Dank der Großzügigkeit einer Gönnerin (Marie Anna Fliegel) brauchen die Hunzikers für das Haus, in dem sie leben, keine Miete zahlen. Eine Immobilienfirma will dieses Grundstück unbedingt erwerben, um dort einen luxuriösen Wohnpark zu errichten. Das Unternehmen ist bekannt dafür, bei der Durchsetzung seiner Ziele nicht zimperlich zu sein.

Im Vergleich zur enormen Intensität von "Borchert und die tödliche Falle" ist "Borchert und der fatale Irrtum" ein Film im Bummelzugtempo. Florian Froschmayer hat zuletzt für die ARD-Tochter Degeto "Urlaub mit Mama" gedreht, ein tragikomisches Roadmovie mit Mutter und Tochter. Krimi kann der Regisseur allerdings auch: Der Selbstjustiz-Thriller "Ihr werdet gerichtet" (2015) war einer der besten "Tatort"-Beiträge aus Luzern. Selbst dem gemächlichen Bodensee-"Tatort" hat der in Zürich aufgewachsene Schweizer, dem das Heimspiel ganz bestimmt besonders viel Spaß gemacht hat, mit seiner Episode "Der Polizistinnenmörder" (2010) ungewöhnlich fesselnde Seiten abgewinnen können. Seine erste Arbeit für die Degeto-Reihe ist jedoch ein konventioneller Krimi, der noch am ehesten durch seine erzählerische Komplexität beeindruckt: Alles hängt mit allem zusammen. Selbst eine Schlägerei, in die der erwachsene Pflegesohn der Hunzikers, Stefan (Joel Luttenberger), vor Beginn der Filmhandlung verwickelt war, wird auf diese Weise Teil der Geschichte; der Pflegevater war auf dem Weg zur Verhandlung, als er das Bewusstsein und somit auch die Kontrolle über sein Auto verlor. Am Ende gerät sogar Stefan in Verdacht, zumal er in seiner Ursprungsfamilie viel Gewalt erlebt hat.

Sehr gut ist allerdings Froschmayers Arbeit mit den jungen Schauspielern; die Darsteller der drei Pflegesöhne sind prima geführt. Besonders glaubwürdig sind die Szenen, in denen Borchert das Vertrauen des von den drei Jungs am tiefsten betroffenen zwölfjährigen Max (Levi Eisenblätter) gewinnt. Umso bedauerlicher, dass einige Rollen allzu sehr nach Typ besetzt sind. Die in ihrem Trenchcoat wie verkleidet wirkende Sozialarbeiterin Laura Zünd (Sarah Hostettler) vom Jugendamt zum Beispiel ist auf diese Weise von vornherein zur Gegenspielerin abgestempelt, obwohl sie mehrfach versichert, sie wolle nur das Beste für die Kinder. Tatsächlich stellt sich schließlich raus, dass sie sogar in die Machenschaften der Immobilienfirma verwickelt ist; wenn auch unfreiwillig. Die führenden Köpfe des Unternehmens wiederum sind bereits bei ihren ersten Auftritten unschwer als Schurken zu identifizieren. Einer der beiden trägt ein seidenes Halstuch unterm Oberhemd; solche Männer sind im Krimi grundsätzlich verdächtig, selbst wenn sie bloß durchs Bild laufen. Wie eine Pflichtübung wirken auch die Bezüge zum letzten Film: Ein Mandant hatte Dominique im Gericht als Geisel genommen. Im Grunde würde ihr kurzes Zögern vor dem Betreten des Gebäudes zu Beginn bereits genügen, aber das traumatische Erlebnis wird mehrfach angesprochen. Das ist zwar plausibel, doch die entsprechenden Dialoge sind längst nicht so elegant integriert wie die Andeutungen, dass Borchert sehr wohl weiß, wovon er spricht, als er Frau Zünd gegen Ende versichert: Nicht jeder, der als Kind Gewalt erfahren hat, wird später selbst zum Gewalttäter.