TV-Tipp: "Träume - Der Usedom-Krimi" (ARD)

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TV-Tipp: "Träume - Der Usedom-Krimi" (ARD)
14.11., ARD, 20.15 Uhr
Die Verpackung heißt Krimi, aber im Grunde hat die Usedom-Reihe der ARD von Anfang an Beziehungsdramen erzählt. Meist ging es dabei nicht um Partnerschaften, sondern um familiäre Geschichten, zumal der Zwist zwischen den beiden Hauptfiguren, Mutter und Tochter, bis zur sechsten Episode ("Winterlicht") im Zentrum stand.

Nach dem Abschied von Lisa Maria Potthoff rückten automatisch andere Beziehungen in den Fokus; selbst wenn "Mutterliebe", das erste Drehbuch von Marija Erceg für die Reihe, erneut von Konflikten zwischen Mütter und Töchtern erzählte. "Träume" ist ihr zweiter Beitrag, und diesmal spielen ein Vater und sein Sohn besondere Rollen: Jörn Sievers (Christian Kuchenbuch) hat sich nach der Wende eine erfolgreiche Existenz aufgebaut; an der Erziehung seines Sohnes ist er dagegen gescheitert. Michi (Dennis Mojen) hat keinen Respekt und macht seinem Vater nach drei abgebrochenen Ausbildungen auch sonst keine Freude, ganz im Gegensatz zum künftigen Schwiegersohn Sascha, mit dem Michi prompt permanent aneinandergerät. Als Sascha erschlagen wird, scheint der Fall zumindest aus Zuschauersicht klar.

Reduziert man "Träume" auf die reine Krimiebene, bliebe kaum genug Stoff für eine Serienepisode. Reizvoll wird der Film erst durch das komplexe Beziehungsgeflecht. Eine ungewöhnliche Figur ist zum Beispiel Michis knapp an der verkrachten Existenz vorbeischrammender väterlicher Freund Dirk Bodin, wobei diese Rolle allein dank der besonderen Verkörperung durch Karsten Antonio Mielke wirkliches Format gewinnt; der Schauspieler hat kürzlich schon als Musikmanager in dem Mutter/Tochter-Drama "Nachts baden" mit Maria Furtwängler spezielle Akzente gesetzt. Bodin hört "Steppenwolf" (natürlich "Born to be wild") und ist Freizeitfalkner, wenn man mal außer acht lässt, dass der Begriff "Freizeit" eine geregelte Beschäftigung voraussetzt. Dass der Mann tatsächlich zum Mordverdächtigen wird, hat er seiner Schwester zu verdanken, und auch diese Rolle ist interessant, weil Darstellerin Birge Schade und Regisseur Andreas Senn sie wie eine Figur aus einem Kitschroman wirken lassen: Ilka Bodin ist Haushälterin bei Familie Sievers und dem Patriarchen offenkundig äußerst zugetan. In einer Szene legt der Hausherr seiner Angestellten dankbar den Arm um die Schulter, und Schade vermittelt fast körperlich spürbar, wie ein wohliger Schauer die Frau überläuft. Kein Wunder, dass sie bereit ist, alles zu tun, um Schaden von Familie Sievers abzuwenden. Aber welches Motiv sollte ihr Arbeitgeber haben, den von ihm über die Maßen geschätzten Schwiegersohn zu erschlagen, zumal er ihn längst zum Nachfolger im Unternehmen erkoren hat?

So weit ist Ellen Norgaard (Rikke Lylloff) ohnehin noch nicht, denn ihre erste Spur führt auf den polnischen Teil der Insel. In Polen beginnt die Geschichte auch, zumindest für die Kommissarin, und diese Ebene des Films ist zunächst vor allem vergnüglich, denn Staatsanwalt Brunner (Max Hopp) hat bei einer Stettiner Konferenz zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit ein bisschen zu viel getrunken und am nächsten Morgen einen Filmriss. Später taucht ein Video auf, das den Juristen für seine ansonsten stets korrekten Verhältnisse regelrecht in Ekstase zeigt. Fortan ist sein Benehmen gegenüber Ellen äußerst unterkühlt. Was anfangs noch dank der Dialoge wie eine romantische Komödie wirkt, wandelt sich mehr und mehr zum kaum kaschierten Versuch, die dänisch-deutsche Kommissarin wegzumobben, angeblich wegen ihrer mangelnden Deutschkenntnisse. Das ist natürlich unerhört, zum einen aus Prinzip, zum anderen, weil Ellens Akzent und ihre gelegentlichen Probleme mit bestimmten deutschen Idiomen diese Figur so sympathisch machen.

Irgendwie müssen Buch und Regie natürlich auch Katrin Sass beschäftigen, zumal Rikke Lylloff die entschieden dankbareren Szenen hat. Autorin Erceg versorgt zwar auch die ehemalige Staatsanwältin Lossow mit einer Romanze, aber die Beziehung zum Polizisten Gadocha (Merab Ninidze) verläuft recht platonisch, obwohl sich der Pole rührend ins Zeug wirft. Weil Sass ansonsten nicht viel zu tun hat, erweckt der Film den Anschein, sie habe sich die Zeit der Dreharbeiten vorzugsweise mit Strandspaziergängen vertrieben, weshalb es einige Usedom-Szenen von schöner Melancholie gibt. Aber das passt zu der Ruhe, mit der Senn den Film inszeniert hat. Wie sehr "Träume" aus dem konventionellen Rahmen fallt, zeigt schon das Warten auf den Mord; bis dahin vergehen zwanzig Minuten. Sehenswert ist der Krimi trotzdem, zumal Kamerafrau Leah Striker nicht nur für schöne Bilder, sondern auch immer wieder für besondere Einstellungen gesorgt hat. Die Musik von Colin Towns ist ohnehin stets ganz vorzüglich.