TV-Tipp: "Irgendwas bleibt immer" (ZDF)

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TV-Tipp: "Irgendwas bleibt immer" (ZDF)
11.11., ZDF, 20.15 Uhr
Die Nahaufnahmen lassen keinen Zweifel. Seine sympathischen Wangengrübchen, ihre Lachfältchen um die Augen: Hier hat das Schicksal im Zug von Frankfurt nach München zwei Menschen zusammengeführt, die offenbar perfekt zueinander passen. Wären da nur nicht die kleinen Irritationen am Wegesrand.

Wenn die Kamera auf eine Krähe schwenkt, ist das immer ein schlechtes Zeichen. Auch die Musik deutet an, dass "Irgendwas bleibt immer" nicht lange Romanze bleiben wird. Immerhin rückt Landschaftsarchitekt Mark (Manuel Rubey) früh genug mit der Wahrheit raus: Er hat die letzten vier Jahre nicht etwa, wie zunächst behauptet, beruflich in Singapur verbracht, sondern im Gefängnis. Würde Ärztin Nina (Lisa Maria Potthoff) die Beziehung nun gleich wieder beenden, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat, würde ihr das niemand verübeln: Mark ist für den Tod seiner Freundin verantwortlich. Die beiden hatten Streit, sie ist handgreiflich geworden, er hat sie geschubst, sie ist unglücklich gestürzt; so erzählt er es zumindest Nina. Die Ärztin ist seit der Scheidung alleinerziehend. Sie hat den Glauben an die Liebe schon beinahe verloren, weshalb Mark ihr wie ein Geschenk des Himmels erscheint; außerdem ist sie der Meinung, jeder habe das Recht auf eine zweite Chance. Mark zieht bei ihr ein, und so könnten die beiden glücklich bis an ihr Ende leben, aber dann wäre der Film schon nach dreißig Minuten vorbei; und außerdem kein Krimi.

Claudia Kaufmann hat unter anderem vor einigen Jahren das sehenswerte Psycho-Krimidrama "Die Tochter des Mörders" geschrieben; Sophie von Kessel spielte darin eine Frau, die als Kind miterlebt hat, wie der Vater die Mutter erschlagen hat. Zuletzt hat die Drehbuchautorin gemeinsam mit Britta Stöckle ebenfalls fürs ZDF "Rufmord" verfasst, eine bedrückende Fallstudie mit Rosalie Thomass als Grundschullehrerin, deren Leben durch Cybermobbing zerstört wird. Nach ihrem spurlosen Verschwinden taucht zwar eine Ermittlerin auf, doch sie ist nur eine Nebenfigur; "Rufmord" ist kein Krimi, sondern das Drama einer Frau, die zum Opfer einer Macht wird, gegen die sie keine Chance hat. Nina ergeht es im Grunde ähnlich, aber in ihrem Fall ist es die Macht des Vorurteils: Ihre Nachbarin und Freundin Melanie (Ulrike Krumbiegel) hat angeblich überstürzt eine Freundin auf Mallorca besucht, ist dort jedoch nie eingetroffen; als Nina Indizien entdeckt, die Mark belasten, informiert sie die Polizei.

Geschickt hält Regisseur Thomas Kronthaler den Film lange in der Schwebe: Von Beginn an sieht "Irgendwas bleibt immer" wie ein Krimi aus, aber inhaltlich deutet nichts darauf hin, zumal zunächst ohnehin offen bleibt, worauf die Geschichte überhaupt hinausläuft. Für Risse in der allgemeinen Harmonie sorgt vor allem Melanies Mann Andreas (Justus von Dohnányi), dem sichtlich missfällt, dass der charmante Mark nicht nur Nina, sondern auch die hingerissene Melanie um den Finger wickelt. Auffällig beiläufig schleicht außerdem ein zwielichtiger Typ durch die Szenerie, der Mark offenkundig kennt. Auf diese Weise streut Kronthaler immer wieder Zweifel an der Aufrichtigkeit des ehemaligen Häftlings ein, obwohl es für die Vorfälle auch ganz harmlose Erklärungen geben könnte; aber dann findet Nina raus, dass Mark ihr in Bezug auf den Tod seiner Freundin nicht die ganze Wahrheit gesagt hat.

Aus unerfindlichen Gründen sind Kronthaler und Kameramann Christof Oefelein beim Nebenbuhler deutlich weniger differenziert vorgegangen: Andreas gibt sich zwar glaubwürdig besorgt, aber die Kamera zeigt ihn gern aus der leichten Untersicht, was den Nachbarn prompt bedrohlich erscheinen lässt. Justus von Dohnányi ist filmografisch ohnehin als Schurkendarsteller vorbelastet; im ZDF war er zuletzt unter anderem als teuflischer Baron Lefuet (!) in "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" zu sehen. Außerdem ist Andreas ein korrupter Baureferent, der seine Erfolge gern im Puff feiert. Andererseits bringt auch Rubey dank seiner Titelrolle in einem ausgezeichneten "Tatort" aus Stuttgart als "Der Mann, der lügt" solch’ eine filmische Vorgeschichte mit. Ähnlich vielschichtig wie dort verkörpert er nun die Rolle des Ex-Häftlings, der gegen Ende um Jahre gealtert wirkt; der Kontrast zu dem gutgelaunten Sunnyboy aus dem Prolog könnte kaum größer sein.

Die einzige Figur, die sich tatsächlich treu bleibt, ist Nina: Die Ärztin will Mark glauben. Unbewusst aber nagt auch an ihr der Zweifel: Als sie nach einem gemeinsamen Abend in der Stadt einen Fuchs überfährt, erlöst Mark das sterbende Tier mit einem Steinbrocken von seinen Schmerzen. Die Szene verfolgt Nina bis in ihre Träume; aber nun ist sie der Fuchs.