Anschlag in Halle: "AfD kann ihre Verantwortung nicht verleugnen"

Anschlag in Halle: "AfD kann ihre Verantwortung nicht verleugnen"
Vizekanzler Scholz will bei Bedarf mehr Geld zum Schutz vor rechtem Terror ausgeben
Führende Politiker kritisieren, dass die AfD sich nicht vom Rechtsextremismus abgrenze. Sie machen die Partei mitverantwortlich für den Anschlag auf die Synagoge in Halle. Ministerpräsident Haseloff sieht dagegen keine Mitschuld der AfD.

Halle (epd). Nach dem rechtsextremen Terroranschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle diskutiert die Politik über eine mögliche Mitverantwortung der AfD. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machten die Partei politisch mitverantwortlich für den Anschlag. Der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hingegen sieht nach eigenen Angaben keinen direkten Zusammenhang zwischen der AfD und der Tat.

Scholz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) auf die Frage, ob die geistigen Brandstifter von Halle auch bei der AfD zu suchen seien: "Die AfD kann ihre Verantwortung in dieser Frage nicht verleugnen." Die rassistisch motivierte Tat sei "in einem Milieu entstanden, das nicht nur im Netz, sondern auch in Landtagen und im Bundestag Parolen von rechts ruft". Die ehemalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte in einem Gastbeitrag in der "Rheinischen Post" (Mittwoch), Teile der AfD und Rechtsextreme hätten eine gemeinsame ideologische Basis.

Finanzminister Scholz betonte, dass bei Bedarf Sicherheitsbehörden und Polizei auf mehr Geld zur Bekämpfung des Rechtsterrors zählen könnten: "Ich werde stets die nötigen Mittel für den Schutz unserer Verfassung und unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellen." Zugleich hob der Vizekanzler hervor, dass der Kampf gegen Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. "Demokratie ist keine Verwaltungsangelegenheit", sagte Scholz. "Wir müssen gemeinsam Widerstand leisten und den jüdischen Mitbürgern unsere Solidarität versichern."

Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete die AfD als "eine Gefahr für die Demokratie". Der Verfassungsschutz entdecke in Unterorganisationen der Partei regelmäßig antisemitische Stereotype. Social-Media-Posts der Partei würden teilweise "die Grenze zur Volksverhetzung stark strapazieren". Wenn Abgeordnete der AfD "von 'Volksverrätern' und 'Invasoren' sprechen, oder eine 'erinnerungspolitische Wende um 180 Grad' fordern, tragen sie eine erhebliche moralische Mitverantwortung an den rechtsextremistischen Übergriffen, die unser Land in diesem Jahr bereits mehrfach erschüttert haben", sagte sie.

Haseloff erklärte dagegen, er sehe keine direkte Mitverantwortung der AfD als Partei. Das sei für ihn nur ein Teil in einem Gesamtpaket von Ursachen, sagte er im Mitteldeutschen Rundfunk: "Es gibt sicherlich Einzelzuordnungen, die möglich sind, auch politisch, aber es ist zu einfach, es auf eine Komponente herunterzubrechen." Er bezeichnete den Anschlag als "Zäsur": "Es gibt die Zeit davor, und die Zeit danach", sagte er. "Es war die schlimmste Woche, die ich in meinem Leben bisher hatte. Menschlich - und als Politiker ist man ja auch Mensch - habe ich so etwas noch nicht erlebt."

Bei dem Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40 Jahre alte Frau und ein 20 Jahre alter Mann erschossen. Außerdem verletzte der mutmaßliche Täter Stephan B. zwei weitere Menschen. Schwer bewaffnet hatte er zuvor versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort 51 Gläubige versammelt. B. gestand die Tat. Der Generalbundesanwalt erließ gegen ihn Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen Mordversuches.

epd lwd/lob/hei mih