TV-Tipp: "Meine Nachbarin mit dem dicken Hund" (ARD)

Alter Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Meine Nachbarin mit dem dicken Hund" (ARD)
18.10., ARD, 20.15 Uhr
Seit sich die ARD-Tochter Degeto wieder der einstigen leichten bis seichten Wurzeln besonnen hat, haben die Freitagsfilme kaum noch Ecken oder Kanten; und falls doch, sorgen nicht selten die Titel dafür, dass anspruchsvolle Zuschauer gar nicht erst einschalten. Insofern fällt "Meine Nachbarn mit dem dicken Hund" in jeder Hinsicht angenehm positiv aus dem Raster.

Drehbuchautorin Kathi Liers erzählt darin die Geschichte einer verbitterten Frau um die sechzig, der das Leben keinen Spaß mehr macht, seit sich der Gatte eine Jüngere geangelt hat. Nach außen versucht Susanne (Steffi Kühnert) jedoch krampfhaft, die Fassade aufrecht zu erhalten; ihrer Chefin (Katharina Marie Schubert) und den Kollegen im Naturkundemuseum gaukelt sie eine nach wie vor intakte Ehe vor. Das klingt nach einem Drama, das genauso düster und farblos daherkommt wie die vorzugsweise in grau gekleidete Hauptfigur, ist aber nur der Hintergrund für die Handlung. 

Der Film beginnt mit Styroporschneegestöber im Treppenhaus, für das die Tochter der neuen Nachbarn verantwortlich ist. Diese Familie ist das exakte Gegenteil der ordnungsliebenden Heldin: Die alleinerziehende junge Mutter, Kim (Zoë Valks), ist hoffnungslos damit überfordert, ihre Kochlehre und die Bedürfnisse der siebenjährigen Saphir (Theodora Tetzlaff) unter einen Hut zu bringen. Zu allem Überfluss gibt es da noch eine riesige Bordeauxdogge, die lustigerweise "Frau Hirschberger" heißt (der Nachname der Familie), obwohl sie ein Rüde ist. Mit Hunden steht Susanne ohnehin auf Kriegsfuß, und das Chaos bei den über Eck wohnenden Nachbarn, in deren Küche sie einen perfekten Einblick hat, beobachtet sie mit ständigem Kopfschütteln, zumal das Mädchen offenbar keinerlei Respekt vor Erwachsenen hat.

Trotzdem entsteht eine Art Brieffreundschaft zwischen Susanne und Saphir, indem sie sich die beiden von Fenster zu Fenster Botschaften zeigen. Als Saphir bei einer waghalsigen Kletterübung abstürzt und ohnmächtig liegenbleibt, bringt Susanne das Kind ins Krankenhaus. Kim, die um das Sorgerecht für die Kleine fürchtet, erweist sich allerdings als ziemlich undankbar, weil sie überzeugt ist, die Nachbarin habe ihr das Jugendamt auf den Hals gehetzt; dabei war das Frau Hocke (Tina Engel), die das Geschehen im Haus wie ein Blockwart verfolgt. Um des Kindes willen lässt sich Susanne trotzdem nicht abschrecken. Die Freundschaft zu Saphir vertieft sich sogar, erst recht, als Frau Hirschberger eines Tages davonläuft und das Mädchen am Boden zerstört ist.

Regisseur Ingo Rasper hat für die Degeto schon einige sehenswerte Filme gedreht, zumal es ihm regelmäßig gelingt, auch aus scheinbar schlichten Stoffen ("Zimmer mit Stall") angenehme Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch zu machen; sein letzter Freitagsfilm war "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester". Die Bauernhofkomödie lebte vor allem von Dagmar Manzel und Axel Prahl. Die Leistungen der Hauptdarsteller sind in seinen Arbeiten ohnehin immer sehenswert; das galt auch für die ebenfalls im Auftrag der Degeto entstandenen Filme wie die Beziehungskomödie "Ich will (k)ein Kind von Dir" (2017) mit Felix Klare und Franziska Weisz, die tragikomische Romanze "Besuch für Emma" (2015) mit Dagmar Manzel und Henry Hübchen oder "Die Kinder meines Bruders" (2016) mit David Rott. Dass eine außergewöhnliche Schauspielerin wie Steffi Kühnert dieses Niveau scheinbar spielend hält, ist keine Überraschung, die Leistung der im Fernsehen bislang absolut unbekannten Zoë Valks dagegen schon. Ganz vorzüglich geführt ist auch die junge Theodora Tetzlaff, die ihre Sache außerordentlich gut macht. 

Damit sich die Geschichte nicht ausschließlich um die Freundschaft zwischen Alt und Jung dreht, gibt es noch einige Nebenschauplätze. Neben der Paläontologie hat Susanne eine zweite Leidenschaft: Sie geht regelmäßig ins Hallenbad, um Synchronschwimmen zu trainieren. Leider sind sie und ihre beste Freundin Maria (Johanna Gastdorf) die einzigen Teilnehmerinnen, weshalb der Bademeister nicht einsieht, für die beiden Frauen das gesamte Becken zu sperren; auf diese Weise schaffen Buch und Regie die Voraussetzungen für eine wunderbare Schlusssequenz, als sich das komplette Ensemble (bis auf den Hund) im Schwimmbad einfindet. Zwischendurch geraten die beiden Freundinnen allerdings heftig aneinander, als Maria rausfindet, dass Susanne dem Rest der Welt eine heile Welt vorgaukelt, und ihr vorwirft, sie tauche generell gern ab, wenn’s brenzlig werde.

Der andere Seitenstrang gilt Kim und ihren Nöten mit dem rabiaten Chef (Roman Knižka in einer Gastrolle), der wenig Verständnis dafür hat, dass die junge Mutter ihre Arbeitszeiten nach den Bedürfnissen der Tochter richten will. Kein Wunder, dass sie ihren Frust an Susanne auslässt, die sie als "Verklemmte Schrulle" und "Spießeroma" beschimpft; Saphir macht daraus auf einer ihrer Grußbotschaften "Vaklämte Schpisaoma". Die frechen Dialoge des Mädchens sind ohnehin ein großer Spaß, und natürlich raufen sich auch die beiden erwachsenen Frauen zusammen, als nach Frau Hirschberger auch noch Saphir verschwindet. Die sanfte Musik von Martina Eisenreich ist die perfekte Untermalung für diese ausgesprochen gelungene Tragikomödie, die nicht zuletzt durch eine sorgfältige Bildgestaltung (Eric Ferranti) beeindruckt.