TV-Tipp: "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester" (ARD)

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TV-Tipp: "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester" (ARD)
27.9., ARD, 20.15 Uhr
Angesichts der vielen Verirrungen, die der ARD-Tochter Degeto regelmäßig bei ihren Freitagsfilmtiteln unterlaufen, ist "Gloria, die schönste Kuh meiner Schwester" ein angenehm harmloses Etikett für eine zwar nicht umwerfende, aber durchaus ansehbare Komödie. Regisseur Ingo Rasper hat mit Dagmar Manzel schon die tragikomische Freitagsromanze "Besuch für Emma" (2015) gedreht und wird die Schauspielerin daher vermutlich bereits vor Augen gehabt haben, als er das Drehbuch schrieb.

Jutta bewirtschaftet den brandenburgischen Hof ihres vor einigen Wochen verstorbenen Vaters. Ihr ganzer Stolz ist die zu den Klängen des gleichnamigen Klassikers der Popgruppe Them eingeführte Gloria, eine in der Tat prachtvoll anzuschauende und stets wie frisch lackiert wirkende Milchkuh, die gerade erst wieder einen Schönheitswettbewerb gewonnen hat. Jutta hat ebenfalls gewonnen, nämlich das Herz von Gerd (Max Hopp), der mit seinem Wohnmobil durch die Gegend fährt. Sie hält ihn für einen Futtermittelvertreter. Das ist er zwar auch, aber seine Hauptbeschäftigung ist eine ganz andere, und die wird das zarte Glück später auf eine große Probe stellen.

Zweite Hauptfigur des Films ist jedoch Thomas, Juttas Bruder. Der Pilot kommt nur alle paar Jubeljahre auf den Hof und war auch nicht bei der Beerdigung des Vaters. Ein erfahrenes Publikum wird früh ahnen, dass seine Motive unlauterer Natur sind, zumal Axel Prahl den Mann eher unsympathisch anlegt. Tatsächlich knüpft Thomas hinter dem Rücken seiner Schwester alsbald den Kontakt zum Unternehmen eines Großgrundbesitzers, den Jutta als Zerstörer ihrer Heimat betrachtet, weil er anscheinend die ganze Gegend aufkaufen will. Andererseits kann sie den Hof nicht allein bewirtschaften, und Thomas ist auch nicht gerade zum Landwirt geboren.

Ingo Rasper hat möglicherweise eine gewisse Vorliebe für rustikale Stoffe. In dem sehenswerten "Plötzlich Onkel"-Drama "Die Kinder meines Bruders" (2016) spielte David Rott einen Berliner Lebenskünstler, der nach einen Bauernhof und zwei Kinder erbt; und der Auftaktfilm zur Degeto-Reihe "Zimmer mit Stall" mit Aglaia Szyszkowitz (2018) erzählte die Geschichte einer Städterin, die zurück zur Natur will und sich einen Bauernhof kauft. Zeitverschwendung sind Raspers Arbeiten jedoch nie, zumal er stets für vorzügliche Leistungen seiner Hauptdarsteller sorgt; das gilt auch für das als Beziehungskomödie getarnte Drama "Ich will (k)ein Kind von Dir" (2017) mit Felix Klare und Franziska Weisz oder "Zu mir oder zu dir?" (2014), eine romantische Komödie mit Maren Kroymann und Walter Sittler als Liebespaar wider Willen und einer der wenigen Filme Raspers in den letzten Jahren, der nicht im Auftrag der Degeto entstanden ist.

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Der Regisseur hat zwar nur in Ausnahmefällen auch das Drehbuch geschrieben, doch in all’ seinen Geschichten müssen sich Menschen zusammenraufen. Das bringen gerade romantische Komödien natürlich so mit sich, aber die Filme haben oft einen gewissen tragischen Unterton. In "Gloria" geht es im Hintergrund nicht zuletzt um das Schicksal vieler kleiner Bauernhöfe, die sich nur mit Mühe über Wasser halten können. Ohne die Einnahmen durch Juttas vierbeiniges Fotomodell, dessen Eizellen gutes Geld bringen, wäre der Hof kaum zu halten. Auch wenn Rasper die dörfliche Verödung nicht ausdrücklich thematisiert: Dass sich in den Räumen der ehemaligen  Bäckerei nun "Brigitta’s Bräunungsbouthique" befindet, sagt eigentlich alles. Die Besitzerin (Anne-Kathrin Gummich) ist Juttas beste Freundin und schon seit gemeinsamen Teenagertagen vergeblich in Thomas verliebt. Dessen Argumente für einen Verkauf sind durchaus nachzuvollziehen, erst recht, als sich Jutta bei einem Streit einen Bänderriss im Sprunggelenk zuzieht und im Grunde nicht mehr arbeitsfähig ist. Dass Thomas’ Motive keineswegs uneigennützig sind, steht auf einem ganz anderen Blatt, und als sich rausstellt, dass er noch weitere Geheimnisse hat, ist nicht nur das Verhältnis der Geschwister nachhaltig gestört; auch Juttas zwischenzeitlich abgebrochene Beziehung zu Gerd, der einfach nicht locker lässt, ist hochgradig gefährdet.

Da sich die innere Spannung in Grenzen hält, lebt der Film umso mehr von Manzel und Prahl, zumal beide ihre Figuren mit Ecken und Kanten verkörpern. Auch Jutta kann ganz schön gemein sein, aber dann lässt Manzel ihren Charme spielen, und schon ist das Publikum wieder versöhnt. Davon abgesehen fällt auf, dass die Degeto nach "Verliebt auf Island" erneut auf eine Romanze zwischen einer älteren Frau und einem deutlich jüngeren Mann setzt. Ansonsten erfreut der Film vor allem durch originelle Schauplätze (eine Bücherscheune) und schöne Bilder von idyllischer Natur (Kamera: Andreas Höfer), klappernde Störche inklusive; und glückliche Kühe sowieso. Außerdem gibt es Gastauftritte von Uwe Rohde als Juttas ziemlich heruntergekommenem Ex-Mann und André M. Hennicke als Veterinär, der sich um ihre Fußverletzung kümmert und eine Devise vorgibt, die Raspers gelassene Inszenierung ohnehin vermittelt: Was auch passiert, davon geht die Welt nicht unter.