TV-Tipp: "Verliebt auf Island" (ARD)

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TV-Tipp: "Verliebt auf Island" (ARD)
6.9., ARD, 20.15 Uhr
Die ARD-Tochter Degeto neigt seit einigen Jahren dazu, guten Filmen schlechte Titel zu geben. Vermutlich hätte die Redaktion der zweifachen Liebesgeschichte "Verliebt auf Island" gern ein Etikett à la "Eine Hochzeit platzt selten allein" verpasst, aber so hieß bereits völlig unpassend eine im Juli ausgestrahlte Komödie über die Finanzkrise. Matthias Dinter (Buch) und Nico Sommer (Regie) erzählen eine Geschichte, wie sie unter dem Motto "Hilfe, ich liebe den besten Freund meines Sohnes!" vor zwanzig Jahren Stoff einer Nachmittags-Talkshow gewesen wäre.

Patrick (Ben Blaskovic) freut sich auf seine Traumhochzeit auf Island. Kumpel Alex (Ferdinand Seebacher) würde gern eine Doppelhochzeit draus machen: Er ist schon geraume Zeit mit Patricks Mutter Claudia (Ann-Kathrin Kramer) liiert. Weil sich die beiden Freunde geschworen haben, dass keine Frau sie je entzweien könnte, traut sich das Paar nicht, Patrick die Wahrheit zu sagen, zumal es gerade knüppeldick für den jungen Mann kommt: Erst sagt seine Verlobte die Hochzeit ab, dann erfährt er, dass der wichtigste Investor seiner Start-up-Firma abgesprungen ist. Zu allem Überfluss sorgt ein Vulkanausbruch dafür, dass sämtliche Flüge abgesagt werden; nun sitzt das Trio auf Island fest. Einziger Lichtblick in Patricks Leben ist seine Assistentin Nina (Julia Schäfle), deren Liebe er jedoch nicht wahrnimmt.

Das entspricht bis ins Detail jenen Geschichten, wie sie ARD und ZDF gern freitags und sonntags um 20.15 Uhr erzählen. Sommer hat zudem dafür gesorgt, dass der Film auch optisch und akustisch den Sendeplatzerwartungen entspricht: Die diversen Ausflüge zu Gletschern, Geysiren und natürlich auch zur weltberühmten Blauen Lagune sind regelmäßig mit gefälligen Pop-Balladen unterlegt. Angesichts der bisherigen Laufbahn des Regisseurs ist diese Anpassung an die Freitagsfilmgepflogenheiten schon erstaunlich: Sommer ist für seine Kurzfilme vielfach ausgezeichnet worden, stand dank "Silvi" und "Familienfieber" für Improvisationskino und hat mit der sympathischen und sehr schön gespielten Komödie "Lucky Loser" (im Juli vom ZDF im Rahmen der Reihe "Shooting Stars" ausgestrahlt) gezeigt, dass er auch Unterhaltung für ein großes Publikum beherrscht.

"Verliebt auf Island" orientiert sich dagegen zu sehr am Massengeschmack, selbst wenn die prachtvollen Bilder (Kamera: Guntram Finke) und die guten schauspielerischen Leistungen sehenswert sind. Allzu viele Versatzstücke entsprechen den üblichen Gepflogenheiten, allen voran die inneren Monologe von Hauptfigur Claudia, die nur selten wirklich neue Erkenntnisse bringen. Einige Formulierungen sollen vermutlich für Spannung sorgen, lassen die Figur aber bloß betulich erscheinen ("Es lag etwas in der Luft, die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Ja, wir sollten noch überrascht werden"). Die Kommentare klingen, als sei irgendwer auf die Idee gekommen, den Film nachträglich um diese Ebene zu ergänzen. Die Dialoge haben ohnehin derart viele Kalenderweisheiten zu bieten, dass sich der Film sogar selbst darüber lustig macht. Da passt es ins Bild, dass die Einheimischen ausnahmslos (und hörbar) synchronisiert worden sind.

Typisch für den Sendeplatz ist auch das Rentnerehepaar Gerhardt und Sieglinde (Hans-Joachim Heist, Ramona Kunze-Libnow). Er ist ein ständig nörgelnder Besserwisser, sie sein verhärmtes Anhängsel, dem nach fast fünfzig Ehejahren unter seiner Fuchtel endlich der Kragen platzt. Hans-Joachim Heist ist der Schreihals aus der "heute-show" und bekommt auch auf Island Gelegenheit, seinen Unmut in die Gegend zu brüllen. Immerhin darf Gerhardt eine glaubwürdige Wandlung durchmachen, nachdem Sieglinde ihm mit Scheidung gedroht hat. Am Ende sorgt er sogar dafür, dass der vor Jahren verstummte Fahrer ihres Reisebusses zu neuem Lebensmut findet und sich endlich mit seinem Sohn versöhnt.

Weniger brisant als womöglich ist auch der deutliche Altersunterschied zwischen Claudia und Alex. Zum einen hat die Degeto solche Geschichten bereits früher erzählt, etwa in "Liebe verlernt man nicht" (2009) mit Katrin Sass oder "Für eine Nacht ... und immer?" (2015) mit Julia Köhler; zum anderen hat die ARD-Tochter dem Publikum mit Filmen über gleichgeschlechtliche Paare auf Nachwuchssuche ("Vier kriegen ein Kind") oder einen Transgender-Jungen ("Mein Sohn Helen", beide 2015) schon mal deutlich mehr zugemutet. Kramer ist für die Zielgruppe des Sendeplatzes ohnehin eine gewohnt sympathische Identifikationsfigur, zumal sie gerade Claudias Zögerlichkeit sehr nachvollziehbar spielt. Die in Fernsehfilmen bislang nur selten eingesetzten jungen Schauspieler machen ihre Sache ebenfalls sehr ordentlich. Ferdinand Seebacher war zuletzt Teil des "Team alpin" im ZDF, Ben Blaskovic hat eine seiner ersten großen Rollen als Sohn von Ulrike Folkerts in "Verliebt in Amsterdam" (2014) gespielt, und Julia Schäfle ist seit 2017 eine der Hauptdarstellerinnen der ARD-Vorabendserie "Morden im Norden". Eigentlicher Star des Films aber ist der Schauplatz; mindestens so eindrucksvoll wie die Sehenswürdigkeiten sind die in ein bezauberndes Licht getauchten Nachtaufnahmen.