TV-Tipp: "Die Dunkle Seite des Mondes" (ARD)

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TV-Tipp: "Die Dunkle Seite des Mondes" (ARD)
28.8., ARD, 20.15 Uhr
Nicht nur für Hippies waren die Schriften Carlos Castanedas in den Siebziger- und Achtzigerjahren Pflichtlektüre: Die Erfahrungen des Anthropologen mit bewusstseinserweiternden indianischen Drogen animierten eine ganze Generation zu entsprechenden eigenen Erlebnissen. Martin Suters Buch "Die Dunkle Seite des Mondes" (Diogenes, 2000) liest sich stellenweise wie eine düstere Antwort auf Castaneda: Der Schweizer erzählt in seinem zweiten Roman die Geschichte eines erfolgreichen Wirtschaftsanwalts, dessen Leben nach dem Konsum halluzinogener Pilze komplett aus den Fugen gerät.

Regisseur Stephan Rick und Koautorin Catharina Junk verzichten in ihrer Adaption auf die philosophische Ebene der Vorlage und lassen auch die Sozialkritik nur noch zwischen den Zeilen stattfinden. Dafür sorgen geschickte Ergänzungen für eine effektive Zuspitzung der Dramaturgie: Urs Blank hat soeben im Auftrag von Pius Ott, Besitzer eines Pharmakonzerns, eine Großfusion durchgeführt und dabei im letzten Moment einen Passus in den Vertrag eingebaut, der dem Besitzer der anderen Firma wirtschaftlich das Genick bricht; der Mann schießt sich vor Blanks Augen eine Kugel in den Kopf. Bei einem Waldspaziergang nach der Beerdigung lernt der erschütterte Jurist das Hippiemädchen Lucille (Nora Waldstätten) kennen. Der verheiratete Mann beginnt eine Affäre mit der jungen Frau. Der Pilzkonsum, zudem sie ihn in einer Kommune animiert, verändert sein Leben: Anscheinend haben die Drogen jede Hemmung zur Gewaltanwendung abgebaut. Erst tötet Blank Lucilles Katze, weil sie ihm auf die Nerven geht, dann provoziert er einen tödlichen Autounfall, schließlich begeht er einen Mord. Ein Freund vermutet, ein sehr seltener Pilz habe die Veränderung verursacht. Blank lässt sein Frankfurter Luxusdasein hinter sich, zieht sich in die Natur zurück und sucht nach der Pilzsorte, um den Persönlichkeitswandel von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde rückgängig zu machen.

"Die Dunkle Seite des Mondes" hat faszinierende spätherbstliche Waldaufnahmen zu bieten (Kamera: Felix Cramer, Stefan Ciupek). Trotzdem lebt der Psychothriller vor allem vom Charisma des Hauptdarstellers. Moritz Bleibtreu verkörpert den Wandel vom karrierefixierten, aber keineswegs unsympathischen Anwalt zu einem instinktgesteuerten Wesen ungemein glaubwürdig und gleichzeitig bewegend: Nach jedem Ausraster ist Blank entsetzt über seine archaisch anmutende Gnadenlosigkeit. Endgültig zur Parabel über die Fragilität zivilisatorischer Konventionen wird der Film durch eine entscheidende Abwandlung der Vorlage: Als Blank endlich die gesuchten Pilze gefunden hat, stellt sich raus, dass ihre Wirkung gleich null ist.

Der Film hat nur drei Millionen Euro gekostet, sieht aber ungleich teurer aus. Rick hat bislang ausschließlich fürs Fernsehen gedreht und sich unter anderem mit der ausgezeichneten Science-Fiction-Kinderserie "Allein gegen die Zeit" und dem stillen Thriller "Unter Nachbarn" einen Namen gemacht. Das Drehbuch für sein Kinodebüt war offenbar derart überzeugend, dass alle Beteiligten bereit waren, für wenig Geld mitzuwirken; auch die beiden Stars. Jürgen Prochnow ist Bleibtreu ein würdiger Gegenspieler, zumal er mit dem Konzernchef an seine diversen Hollywood-Schurken anknüpfen kann: Weil Blank Unterlagen besitzt, die beweisen, dass Ott über Leichen geht, kommt es schließlich zum Western-ähnlichen Showdown, denn der passionierte Jäger pflegt seine offenen Rechnungen eigenhändig zu begleichen.