Berlin/Dortmund (epd). Droh-Mails mit rechtsextremem Hintergrund gegen Personen des öffentlichen Lebens und Institutionen sorgen für Verunsicherung. Wie die Kölner Polizei dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag bestätigte, wurde nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke nun die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bedroht.
Reker war bereits 2015 bei einem Messerattentat lebensgefährlich verletzt worden. Der Täter, inzwischen zu 14 Jahren Haft verurteilt, war ebenfalls in der Neonazi-Szene aktiv. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mahnte eine engere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern und den Austausch von Informationen an.
In keinem Bereich könne die absolute Sicherheit gewährleistet werden, aber es sei die Pflicht als Politiker, das Menschenmögliche zu tun, um jene zu schützen, die von gewaltbereiten Rechtsextremisten bedroht würden. Seehofer sagte zugleich, dass man sich unter Achtung der Verfassung auch stärker dem Internet zuwenden wolle. Bei Kontaktdaten und Chats müssten die Sicherheitsbehörden Möglichkeiten haben, hineinzukommen, auch wenn sie verschlüsselt sind.
Die Ermittlungen zu den bundesweit verschickten Drohungen vom 19. Juni übernahmen die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und das Landeskriminalamt Berlin. Ob die neuen Droh-Mails in Zusammenhang stünden mit weiteren bundesweiten Drohschreiben mit rechtsextremistischem Hintergrund, zu denen bereits in Berlin ermittelt werde, sei derzeit Gegenstand der Ermittlungen, teilten die beiden Behörden am Donnerstag mit.
Der Leipziger Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), verurteilte die Drohungen gegen Kommunalpolitiker und sprach im ARD-Mittagsmagazin von einem flächendeckenden Problem: "In ganz Deutschland beobachten wir das. Von Aachen bis Görlitz, dass versucht wird, Kommunalpolitiker und Politikerinnen, ehrenamtliche Kreisräte, Stadträte zu beeinflussen. Zu mobben, zu haten."
Außenminister Heiko Maas (SPD) warnte nach der Ermordung Lübckes eindringlich vor der Gefahr durch Rechtsextreme. "Sollte sich der Verdacht erhärten, dass es einen rechtsextremen Hintergrund gibt, ist klar: Das ist eine Tragödie für unsere Demokratie", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). "Die Grenzen zwischen rechtspopulistischen und militanten Gruppierungen sind längst fließend. Es gibt nicht weniger als 12.000 gewaltorientierte Rechtsextreme in unserem Land", beklagte der frühere Justizminister.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte eine rasche Aufklärung des Mordes. Am Mittwoch bei der Eröffnung des evangelischen Kirchentages in Dortmund hatte er erklärt, schon der Verdacht sei furchtbar und unerträglich, dass jemand in einem Land mit dieser Geschichte, der für die Demokratie gearbeitet hat, "hingerichtet wird durch einen politischen Mord, mutmaßlich begangen von einem überzeugten Rechtsextremisten, dem im Netz Beifall geklatscht wird".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte einen sorgsamen Umgang mit Sprache an. "Sprache kann zu Hetze, Hetze zu Taten werden", ließ sie über Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch verlauten. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus.
Die Ermittler vermuten einen rechtsextremistischen Hintergrund des Mordes an Lübcke, auch wenn das Motiv noch unklar ist. Der als tatverdächtig inhaftierte Stephan E. hat mehrere Vorstrafen, darunter auch für einschlägig rechtsextrem motivierte Taten. Er soll am 2. Juni den 65-jährigen Lübcke spätabends vor dessen Wohnhaus mit einem Kopfschuss getötet haben. Lübcke war wegen seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik offenbar in der rechtsextremen Szene verhasst. Anfeindungen wurden vor allem im Internet geäußert.
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