TV-Tipp: "Tatort: Glück allein" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Glück allein" (ARD)
2.6., ARD, 20.15 Uhr
Anders als ihre deutschen "Tatort"-Kollegen legen sich Moritz Eisner und Bibi Fellner in den Sonntagskrimis aus Österreich immer wieder mit Politikern an. Im letzten Fall, "Wahre Lügen" (ausgestrahlt im Januar), ging es um einen illegalen, aber offenbar vom Verteidigungsministerium gedeckten Waffenhandel. Diesmal macht sich Eisner (Harald Krassnitzer) einen Abgeordneten zum Feind, der sich als hartnäckiger Leiter eines Untersuchungsausschusses große Popularität erworben hat: Raoul Ladurner (Cornelius Obonya) aus Tirol hat es sich zur Aufgabe gemacht, in großem Stil aufzuräumen; Eisner kann die Selbstgefälligkeit dieser "selbsternannten Reinigungskraft der Nation" nicht ausstehen.

Die von ständigen gegenseitigen Provokationen geprägten Begegnungen der beiden Alpha-Männer bilden jedoch nur einen Teil des Reizes von "Glück allein", dem 45. Eisner-"Tatort", aber weil das Drehbuch vom Deutschösterreicher Uli Brée stammt, dank bissiger Produktionen wie der Seniorenkomödie "Die Spätzünder" oder der Serie "Vorstadtweiber" auch hierzulande als Autor scharfzüngiger Dialoge geschätzt, sind die darstellerischen Duelle zwischen Harald Krassnitzer und Cornelius Obonya ein besonderes Vergnügen. Nicht minder reizvoll ist die Krimihandlung: Als Ladurners Frau und Tochter Opfer eines brutalen Verbrechens werden, ist Eisner überzeugt, dass der Abgeordnete in die Morde verwickelt ist, obwohl die Täter allem Anschein nach Einbrecher waren. Ermitteln dürfen der Oberstleutnant und seine Partnerin (Adele Neuhauser) allerdings nicht: Der Innenminister persönlich hat dafür gesorgt, dass der Fall Ladurners Landsmännin Julia Soraperra (Gerti Drassl, eine der Hauptdarstellerinnen aus "Vorstadtweiber") übertragen wird. Später stellt sich raus, dass die Kollegin ein Verhältnis mit dem Politiker hat; aber die Verwicklungen reichen noch viel tiefer. Selbstredend betrachtet Eisner, in diesem Film womöglich noch sarkastischer als sonst, das Ermittlungsverbot ohnehin als Ansporn, sich erst recht mit dem Fall zu befassen. Tatsächlich ist er geradezu besessen davon, dass sich hinter der Fassade des Saubermanns ein Monster verbirgt.

Regisseurin des Films ist Catalina Molina. Die gebürtige Argentinierin hat sich für den "Tatort" mit zwei "Landkrimis" qualifiziert; ihr sehenswertes Debüt im Rahmen der Reihe, "Drachenjungfrau", ist im vorigen Jahr auch vom ZDF ausgestrahlt worden. Der Film war nicht besonders spannend, aber stimmungsvoll. Auch bei "Glück allein" verzichtet Molina auf vordergründige Krimi-Elemente; dafür ist die hintergründige Spannung umso höher. Auch die kleinen Humoresken von Krassnitzer und Neuhauser hat Molina angenehm beiläufig inszeniert. Im Vordergrund steht allerdings das Kräftemessen zwischen dem Polizisten und dem Politiker. Der Fall scheint geklärt, als Soraperra einen Einbrecher festnimmt, der die Beute aus dem Haus der Ladurners verhökert hat; später wird auch noch seine blutige Kleidung gefunden. Einzig Eisner glaubt nicht an die Schuld des Mannes. Befragen kann er ihn jedoch nicht mehr, denn der Ganove hat sich in der Untersuchungshaft das Leben genommen; der Rechtsmediziner hat allerdings begründete Zweifel an der Suizidtheorie. Der Einbrecher stammte aus der Ukraine, ebenso wie die erfolgreiche Geschäftsfrau Natalia Petrenko (Dorka Gryllus), gegen die Ladurner mit seinem Untersuchungsausschuss ermittelt. In einem emotionalen Auftritt beschuldigt er die Ukrainerin, den Doppelmord in Auftrag gegeben zu haben. Petrenko beteuert ihre Unschuld und vermutet ähnlich wie Eisner, der Politiker wolle bloß von sich selbst ablenken: "Schwarze Seelen tragen weiße Hemden." Auch Eisner ist überzeugt, dass das vermeintliche Komplott eine Erfindung ist, um eine Beziehungstat zu kaschieren. Dass er damit gleichermaßen falsch wie richtig liegt, sorgt am Schluss, als sich das ganze Ausmaß der familiären Tragödie offenbart, für eine echte Überraschung.

Sehenswert ist "Glück allein" nicht zuletzt wegen der formidablen Bildgestaltung. Klemens Hufnagl hat mit großer Sorgfalt und entsprechend viel Aufwand für ein faszinierendes Licht gesorgt. In vielen dunklen Szenen gibt es verschiedene Lichtinseln, die zudem farblich unterschiedlich gestaltet sind. Einige Einstellungen erinnern an die Gemälde des großen amerikanischen Einsamkeitsmalers Edward Hopper. Molinas Inszenierung trägt diese Bilder jedoch nicht vor sich her, sie sind ebenso selbstverständlicher Teil des Films wie die über weite Strecken sehr sanfte Musik von Patrik Lerchmüller, die gerade den Nachtaufnahmen viel Atmosphäre verleiht. Selbst für Flachlandtiroler ist zudem deutlich herauszuhören, dass der Politiker und seine Geliebte eine andere Mundart pflegen als das Wiener Ermittlerduo; was für ein Unterschied zu den "Tatort"-Krimis aus der Schweiz, in denen die Menschen überhaupt keinen Dialekt sprechen.