TV-Tipp: "Hotel Heidelberg: …wer sich ewig bindet" (ARD)

Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Hotel Heidelberg: …wer sich ewig bindet" (ARD)
24.5., ARD, 20.15 Uhr: "Hotel Heidelberg: …wer sich ewig bindet"
Vermutlich hätten viele Zuschauer nichts dagegen gehabt, noch weitere Jahre mit dem Ensemble aus "Hotel Heidelberg" zu verbringen. Die Reihe erinnert an frühere Zeiten, als Familienserien dafür sorgten, dass sich mindestens die halbe Nation vor dem Fernseher versammelte; der Prototyp, "Unsere Nachbarn heute Abend: Familie Schölermann" (1954-1960), stammt gar aus einer Zeit, als erst wenige Haushalte ein eigenes Gerät besaßen. Aber nun heißt es Abschied nehmen, zwar nicht vom Hotel, aber zumindest von Annette und Ingolf Kramer: Nach drei Jahren und sechs Filmen lassen die Stars Annette Frier und Christoph Maria Herbst die Reihe hinter sich.

Die Abschiedsepisode "… wer sich ewig bindet" wirkt allerdings stellenweise wie eine Doublette zur kürzlich ausgestrahlten ZDF-Miniserie "Merz gegen Merz". Dort spielten Frier und Herbst ein trennungswilliges Ehepaar, dass sich nach allen Regeln der Kunst gegenseitig zerfleischt, und auch im Hotel hängt der Haussegen kräftig schief: Weil Annette rund um die Uhr in ihrer Arbeit als Geschäftsführerin aufgeht und bei Bedarf sogar eigenhändig zum Laubbläser greift, droht das Paar das Sorgerecht für Adoptivsohn Ole (Nico Ramon Kleemann) zu verlieren. Der Herr vom Jugendamt (Arndt Schwering-Sohnrey) mag ein konservatives Familienbild haben, aber er bezweifelt auch, dass ein Hotel der richtige Ort für einen Jungen wie Ole ist, der sich ebenfalls ein richtiges Zuhause wünscht. Als der von Annette zum Co-Geschäftsführer ernannte Bruder Stefan (Stephan Grossmann) eine im Grunde richtige, in ihren Konsequenzen aber fatale Eingebung hat, die der Bank den Zugriff auf den Familienbetrieb ermöglicht, müssen die Kramers eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Gespielt ist das wie auch in den bisherigen Episoden vorzüglich, aber die große Stärke des Films ist erneut das Drehbuch von Martin Rauhaus, dem Schöpfer der Reihe. Er sorgt dafür, dass der große Knall nicht plötzlich kommt: Wie im wahren Leben eskalieren die Dinge eher schleichend. Einmal in Fahrt, sorgt Rauhaus auch noch dafür, dass Ingolfs Eltern (Maren Kroymann, Peter Prager) ebenfalls in eine veritable Ehekrise schlittern. Frier und Herbst verkörpern zwar die zentralen Figuren, aber die weiteren Mitwirkenden sind weit mehr als bloß Stichwortgeber; auch Hannelore Hoger spielt angesichts der Abschiedspläne als Gründerin des Hotels wieder eine größere Rolle.

Bislang hat es Rauhaus zudem vorbildlich verstanden, die familiäre mit der beruflichen Ebene zu verknüpfen, weil sich Annette Kramer stets auf sehr persönliche Weise der Sorgen und Nöte ihrer Kunden angenommen hat. Diesmal beschäftigt sich der Episodenhandlungsstrang mit den Schwestern Karin und Mascha (Susanna Simon, Meike Droste), die einer wohlhabenden Heidelberger Unternehmerfamilie entstammen. Die beiden kehren zur Beerdigung ihres Vaters in die alte Heimat zurück. Einst wären sie füreinander durchs Feuer gegangen, aber dann hat ein Ereignis zum völligen Abbruch des Kontakts geführt. Das beiläufig entwickelte Szenario hätte nicht nur das Zeug zu einem eigenen Familiendrama, es ist auch die Basis für den Neustart der Reihe: Ab dem nächsten Film, "Wir sind die Neuen" (31. Mai), sind Karin und Mascha die Hauptfiguren.

Dieser Schritt ist durchaus mutig von der für die Freitagsfilme im "Ersten" zuständigen ARD-Tochter Degeto. Natürlich sind die beiden Schauspielerinnen keine Unbekannten. Droste gehörte zum Ensemble der Erfolgsserie "Mord mit Aussicht" (ARD), hat dort aber neben Caroline Peters und Bjarne Mädel eindeutig nur die dritte Geige gespielt. Simon wiederum, vor gut zwanzig Jahren durch ihre Titelrolle in der RTL-Kolportage "Die heilige Hure" (eine Theologin als Domina) bekannt geworden und seither vielbeschäftigt, wird bevorzugt in Rollen besetzt, die nur bedingt zur Identifikation einladen, selbst wenn ihre Figuren – beispielsweise die Psychologin Carlotta in der Sat.1-Serie "Dr. Molly und Karl" (ebenfalls von Rauhaus) – im Verlauf der Handlung an Sympathie gewinnen. Diese Entwicklung macht auch Karin durch, denn anfangs ist sie eindeutig die "böse" Schwester. Der Vater hat jedoch dafür gesorgt, dass sie posthum ihren Frieden mit ihm schließen kann. Außerdem hat er verfügt, dass Mascha und Karin ihr Erbe in ein gemeinsames Projekt investieren; somit ist früh klar, wer das Hotel Heidelberg retten wird, zumal Karin praktischerweise eine erfolgreiche Hotelmanagerin ist.

Regie führt Edzard Onneken, der auch die beiden letzten Filme der Reihe inszeniert hat. Seine Arbeit mit den Schauspielern ist erstklassig. Die regelmäßigen Zwischenschnitte mit den Stadtansichten, bevorzugt mit Blick auf den Neckar oder das nächtlich illuminierte Schloss, sind zwar hübsch anzuschauen, aber etwas einfallslos. Sehr schön umgesetzt ist dagegen Annettes Abschied vom Lebenswerk ihrer Mutter, als sie vor dem geistigen Auge sich selbst und ihre Geschwister durchs Hotel rennen sieht; zum Schluss dieser Szene laufen die Kinder an ihr vorbei. Wie immer bei Drehbüchern von Martin Rauhaus sind die Dialoge ohnehin ein Genuss, zumal auch die Botschaft des Films ausgesprochen sympathisch ist: Familien, sagt Annette, die wahrlich Grund zum Klagen hat, "sind kompliziert. Lohnt sich aber."