Salomonischer Tempel und ein Sensationsfund

Ausgrabung im libanesichen Tell el-Burak.
© Markus Fellmeth
Ausgrabung im libanesichen Tell el-Burak (Foto vom 15.07.14). Dort entdeckte der Archäologe mit seinem Team eine Wandmalerei, die etwa 1.900 vor Christus angefertigt wurde.
Salomonischer Tempel und ein Sensationsfund
Jens Kamlah hat den einzigen Lehrstuhl für Biblische Archäologie inne
Er erforscht mit wissenschaftlichen Methoden die Lebenswelt der Bibel: Jens Kamlah ist Biblischer Archäologe. Nie vergessen wird er eine Grabung im Libanon: "Wir wussten auf einen Blick, dass es unglaublich ist, was wir hier sehen."
13.05.2019
epd
Judith Kubitscheck

Es ist eine Sensation, von der Archäologen träumen: Im Jahr 2005 leitet der Biblische Archäologe Jens Kamlah (Tübingen) eine Ausgrabung im libanesischen Tell el-Burak. Dieser kleine Ort ist nur etwa neun Kilometer entfernt von der Stadt Sidon, die als phönizische Metropole bereits im Alten Testament erwähnt wird.

Dort macht Kamlah mit seinem Team einen Tiefschnitt in einen verschütteten Raum eines Palastes aus der Bronzezeit. Langsam arbeitet er sich an eine der Wände des 14 mal sieben Meter großen Raumes heran. "Da sprang uns ein roter Farbfleck ins Auge", erinnert sich der 56-Jährige. "Diese Farbe leuchtete so stark, das werde ich nie vergessen. Wir wussten auf einen Blick, dass es unglaublich ist, was wir hier sehen."

4.000 Jahre alte Wandmalerei

Nachdem Restauratorinnen in einer zeitaufwendigen Technik die Wand freigelegt hatten, war klar: Sie haben eine Wandmalerei entdeckt, die etwa 1.900 vor Christus angefertigt wurde und damit rund 4.000 Jahre alt ist. Es ist die älteste bisher entdeckte großflächige Wandmalerei des Vorderen Orients, die sich noch in ihrer ursprünglichen Position an den Wänden erhalten hat.

Auf einem hellen Kalkputz traten Malereien mit verschiedenen Motiven wie beispielsweise einer Jagdszene mit zwei schwarzen Hunden und einer Herde Gazellen zutage. Ein Glücksfall, dass der Raum, der nur aus luftgetrockneten Lehmziegeln erbaut wurde, erhalten blieb. Wäre er nicht vom Boden bis zur Decke mit Lehm angefüllt gewesen, wäre das Kunstwerk längst Geschichte.

Es war eine Sternstunde für Kamlah, der seit August 2018 den bundesweit einzigen Lehrstuhl innehat, der ausschließlich dem Fach Biblische Archäologie gewidmet ist. Denn sein neu geschaffener Tübinger Lehrstuhl ist nicht mit einer Professur für Altes Testament verbunden, wie es beispielsweise an den Universitäten Mainz, Wuppertal und Kiel der Fall ist. Zudem leitet er seit 2010 das biblisch-archäologische Institut, das 1960 als erstes seiner Art in Deutschland gegründet wurde. Am 17. Mai wird er seine Antrittsvorlesung als Professor halten.

Biblische Archäologie ist die Archäologie der biblischen Länder - heute umfasst das Gebiet Israel, die palästinensischen Gebiete, Jordanien, den Südlibanon und die Sinaihalbinsel, erklärt der Wissenschaftler. Der Schwerpunkt der Forschung liegt vor allem auf der Zeit des Alten Testaments, also der Eisenzeit.

Der studierte Theologe, Ägyptologe und Altorientalist sowie Vor- und Frühgeschichtler hat über den Tempelkult habilitiert. Dabei fand er heraus, dass der Salomonische Tempel, der in der Bibel im 1. Könige 6 beschrieben wird, wohl sehr viel bescheidener und kleiner ausgefallen ist, als es dort steht. Der Text sollte als Schilderung eines idealen Tempels verstanden werden, nicht als "Bauanleitung", ist er überzeugt.

Jens Kamlah erforscht mit wissentschaftlichen Methoden die Lebenswelt der Bibel.

Und was sagt ein Biblischer Archäologe zu der Bundeslade mit den zehn Geboten, die in der Bibel erwähnt wird? "Eigentlich rechne ich nicht damit, dass man sie finden kann", sagt er nachdenklich. Und trotzdem müsse man als Archäologe für alle Möglichkeiten offenbleiben, weil "immer wieder Dinge zutage kommen, mit denen man nicht gerechnet hat".

Im Fall der Arche Noah ist sich Kamlah aber sicher, dass die Suche nach einem Holzschiff ins Leere laufen wird: "Die Fluterzählungen, die sich in den biblischen Texten niedergeschlagen haben, lassen sich nicht so verstehen, dass es tatsächlich ein Holzboot gegeben hat, dessen Reste sich irgendwo finden ließen".

Auch nach seinem aufsehenerregenden Fund der Wandmalerei beschäftigt Tell el-Burak den Archäologen. Denn mit dem Ort verbindet sich eine weitere Entdeckung: So konnte das deutsch-libanesische Team durch Funde von Weintraubenkernen eindeutig nachweisen, dass der dortige Ort ein phönizisches Weingut war. Dies zeigt, dass die Phönizier nicht nur Seefahrer waren, sondern ihr eigenes Hinterland für die Landwirtschaft und Weinbau genutzt haben.

"Dass Weinbau auch für die Phönizier eine wichtige Rolle spielte, wusste man zuvor nicht." Die Amphoren und Keltern weisen zudem große Ähnlichkeit mit denen aus Israel und Juda auf. "Vielleicht gab es sogar Konkurrenz im Weinanbau zwischen den Phöniziern und ihren Nachbarn Israel und Juda", mutmaßt Kamlah. "Die beiden Völker sind sich in manchem also näher, als man dachte".