TV-Tipp: "Es war einmal in Deutschland …" (ZDF)

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TV-Tipp: "Es war einmal in Deutschland …" (ZDF)
19.4., ZDF, 20.15 Uhr: "Es war einmal in Deutschland …"
Mit dem Entsetzen seine Scherze treiben: Das ist hierzulande immer noch verpönt, zumindest bei bestimmten Themen. Filme wie Roberto Benignis tiefschwarze KZ-Komödie "Das Leben ist schön" trauen sich deutsche Regisseure offenbar nicht zu; oder sie erhalten keine Fördermittel. "Es war einmal in Deutschland …" kommt der Sache jedoch schon recht nahe.

Held der Geschichte ist der von Moritz Bleibtreu unverwechselbar verkörperte Jude David Bermann. Die Nationalsozialisten haben seine komplette Familie ermordet, aber er hat überlebt: weil er ein Possenreißer ist. Die Idee ist derart absurd, dass sie durchaus wahr sein könnte: Weil Adolf Hitler zwar "alles weiß und alles kann", aber Humor nun einmal nicht zu seinen Stärken zählt, soll Bermann dem "Führer" beibringen, wie man Witze erzählt. Dazu ist es jedoch nie gekommen; außerdem hat Dani Levy so eine ähnliche Geschichte schon mit "Mein Führer" erzählt.

Dieser Teil ist aber ohnehin nur die eine Ebene des Films. Die eigentliche Handlung trägt sich in der Gegenwart des Jahres 1946 zu. Bermanns Familie besaß vor dem Zweiten Weltkrieg eines der größten Frankfurter Wäschegeschäfte, und an diese Tradition will er nun anknüpfen. Also schart er eine Gruppe Gleichgesinnter um sich, die mit Charme und Chuzpe feine Wäsche an die Frau bringen, indem sie sich tolldreiste Lügengeschichten ausdenken. Mit unter anderem Tim Seyfi, Anatole Bleibtreu und Hans Löw hat der in München aufgewachsene belgische Regisseur Sam Gabarski ("Irina Palm") rund um seinen Helden eine großartige Truppe zusammengestellt. Mal geben sich die Männer als Kriegskameraden gefallener Soldaten aus, mal fabulieren sie in einer Eisenbahnersiedlung von famosen Rabatten, verkaufen die Wäschepakete in Wirklichkeit aber zum regulären Preis. Bei aller Heiterkeit sorgt Gabarski dafür, dass der ernste Hintergrund stets präsent bleibt: Bermanns Mitstreiter sind ausnahmslos Juden, im Grunde bewegen sie sich in Feindesland. Einer erkennt in einem Kioskbesitzer einen früheren SS-Massenmörder. Die Männer träumen alle von Amerika; Bermanns Geschäft soll ihnen das Geld für die Schiffspassage bringen. Dessen Appell lautet ebenso schlicht wie überzeugend "Vergesst nicht: Hitler ist tot, aber wir leben noch!"

Wenn der dank seiner pfiffigen Geschichten und der wunderbaren Dialoge beinahe rundum gelungene Film überhaupt eine Schwäche hat, dann ist es die episodische Erzählweise: Gabarski reiht ein Ereignis ans andere. Zentraler Handlungsstrang ist Bermanns Vernehmung durch eine deutsch-amerikanische Offizierin (Antje Traue), die ihn bezichtigt, im Konzentrationslager Sachsenhausen mit den Nazis kollaboriert zu haben. Die entsprechenden Gespräche sind der Anlass für die Rückblenden in die Kriegsjahre. Allerdings werden nicht alle Anekdoten illustriert. Das mag eine Frage des Budgets gewesen sein, aber das Kopfkino sorgt in diesen Momenten womöglich ohnehin für die besseren Bilder. Immer abwechselnd hüpft Gabarski von einer Ebene zur anderen, als handele es sich um zwei verschiedene Filme, deren Hauptfigur jeweils der gleiche Überlebenskünstler ist, was die Erzählweise etwas sprunghaft wirken lässt. Tatsächlich basiert das Drehbuch von Michel Bergmann auf zwei Romanvorlagen von ihm selbst: "Die Teilacher" handelt von den jüdischen Handlungsreisenden, "Machloikes" vom jüdischen Witzeerzähler.

Aber selbst wenn die Verknüpfung nicht reibungslos gelungen ist: Schon allein die herausragend guten schauspielerischen Leistungen machen das spielend wieder wett. Antje Traue war mit ihrem klassischen Filmstargesicht bereits das Glanzlicht des historischen Sat.1-Krimis "Mordkommission Berlin 1" und ist hier eine ebenbürtige Partnerin für Moritz Bleibtreu, der in solchen Rollen jedes Mal aufs Neue seine Ausnahmestellung im deutschen Film beweist; und das nicht nur wegen seines vortrefflichen Hutgesichts. Der Rest des Ensembles mag nicht annähernd so bekannt sein, ist aber ausgezeichnet zusammengestellt. Star des Films ist jedoch der schwarze Humor: Soviel Ironie und Sarkasmus gab’s in einer deutschen Produktion schon lange nicht mehr. Und mit der Rückkehr der Juden beleuchtet "Es war einmal in Deutschland …" zudem ein Nachkriegskapitel, das bislang in Büchern und Filmen nur höchst selten behandelt worden ist.