Intersexuelle: Wir wollen unser Geschlecht selbst bestimmen

Intersexuelle: Wir wollen unser Geschlecht selbst bestimmen
Das Ende 2018 eingeführte Gesetz zum dritten Geschlecht geht nach Ansicht von Aktivisten nicht weit genug: "Dass dieses Gesetz bisher nur intergeschlechtlichen Menschen offensteht, ist seine größte Schwäche", sagte Lucie Veith vom Verein "Intersexuelle Menschen" dem Evangelischen Pressedienst (epd).
30.03.2019
epd
Jana-Sophie Brüntjen

Seit Dezember vergangenen Jahres kann ein Mensch in Deutschland offiziell nicht nur weiblich oder männlich sein, sondern auch divers - vorausgesetzt er hat medizinisch nachgewiesen sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale. Laut Veith gibt es in Deutschland allerdings zahlreiche Menschen, die medizinisch einem Geschlecht entsprechen, sich diesem jedoch nicht zugehörig fühlen oder sich nicht zuordnen lassen wollen. Auch diese Menschen bräuchten die Option, sich als "divers" registrieren zu lassen.

Recht auf Unversehrtheit

Intersexuelle würden trotz des neuen Gesetzes noch immer diskriminiert, beklagte Veith. Der Verein "Intersexuelle Menschen" kämpfe für das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit sowie auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Noch heute würden in Deutschland jährlich mehr als 2.000 kosmetische Operationen an Genitalien von intersexuellen Kindern unter 10 Jahren vorgenommen - damit sie biologisch eindeutig ein Junge oder Mädchen werden.

Veith fordert daher ein gesetzliches Verbot dieser Operationen. Entscheidend sei dabei die Aufklärung über die diversen Geschlechter in Kitas, Schulen, Universitäten und in der Erwachsenenbildung. "Bildung schafft Sicherheit", betonte Veith.

"Wertschätzender Umgang sieht anders aus"

Unter intersexuellen Menschen sei das Interesse an einer Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister derweil nicht unerheblich, sagte Veith. "Das Gesetz hat klargemacht: Die geschlechtliche Selbstwahrnehmung ist Teil der Würde eines Menschen und somit zu schützen", unterstrich Veith. Wenn sich auf der anderen Seite allerdings Prominente wie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer über Intersexuelle lustig machten, wirke dies wie der Beginn einer "verbalen Hetze" gegen eine Minderheit. "Wertschätzender Umgang sieht anders aus", kritisierte Veith.

Durch das Gesetz seien längst überfällige Debatten angestoßen worden, sagte Veith. Eine nicht-binäre Geschlechterordnung stelle vieles infrage. Konkret müsse sich zum Beispiel die aktuelle Präsenz der vielfältigen Geschlechter und deren Präsentation in Film, Rundfunk, Kunst und in Schulbüchern ändern. Zudem müsse auch Grundlegendes diskutiert werden: "Die Debatte um die Frage, welche Bedingungen ein Mensch erfüllen muss, um sich als Frau, Mann, divers oder etwas anderes verorten zu dürfen, hat noch nicht einmal begonnen", sagte Veith.