Eltern und Kinder stark machen für die Mediennutzung

Kinder müssen Medienskompetenz lernen
© Schau hin
"Umgang mit einem technischen Gerät allein ist noch keine Medienkompetenz", sagt Medienpädagogin Kristin Langer.
Eltern und Kinder stark machen für die Mediennutzung
Interview mit Kristin Langer, Mediencoach bei SCHAU HIN!
Der Medienratgeber SCHAU HIN! unterstützt Eltern und Erziehende bei allen Fragen der Medienerziehung und zur Mediennutzung in der Familie. Mediencoach Kristin Langer erklärt im Interview, warum eine Medienerziehung für Kinder so wichtig ist und worauf Eltern und andere Erziehende besonders achten sollten.

Worum geht es bei SCHAU HIN! konkret?

Kristin Langer: Wir wollen Eltern und Kinder stark machen für die Mediennutzung in der Familie. SCHAU HIN! versteht sich als Medienratgeber für Eltern und für andere Erziehende. Das Kernstück unserer Beratung ist unsere Webseite schau-hin.info.

Der Fokus liegt hier auf der Mediennutzung von Kindern im Alter von drei bis dreizehn Jahren, wobei wir in die Altersgruppen "3 bis 6 Jahre", "7 bis 10 Jahre" und "11 bis 13 Jahre" unterteilen. Außerdem geben wir in Medienbriefen speziell altersbezogene Empfehlungen und Hinweise, worauf bei der Mediennutzung besonders zu achten ist – je nach Entwicklungsstufe ist das ja sehr unterschiedlich.

Warum richtet sich das Angebot nur an Eltern von Drei- bis Dreizehnjährigen? Brauchen ältere Heranwachsende keine Begleitung mehr?

Kristin Langer: Nein, das ist eher jugendpolitisch begründet, dass wir uns damit von anderen Initiativen abgrenzen. SCHAU HIN! konzentriert sich darauf, die Grundlagen für einen bewussten Umgang mit Medien zu schaffen. Wenn sich Eltern von 16- oder 17Jährigen bei uns melden, beantworten wir als Mediencoaches die Frage trotzdem. Wir lassen niemanden im Regen stehen.

Generell beantworten meine Kollegin Dr. Ines Schulz und ich alle Anfragen individuell. In unserer Mediathek gibt es aber auch die Rubrik #NACHGEFRAGT, für die wir regelmäßig kurze Videos zu Fragen erstellen, die immer wieder kommen. Man kann also auch schauen, ob die Frage, die man hat, schon von uns beantwortet wurde.

"Umgang mit einem technischen Gerät allein ist noch keine Medienkompetenz"

Warum ist die Begleitung durch Erziehende in Bezug auf die Mediennutzung von Kindern so wichtig?

Kristin Langer: Vielfach sprechen wir von digital natives, die in eine digitale Medienwelt hineingeboren werden. Das heißt aber nicht, dass diese Kinder und Jugendliche sich nicht der Faszination der Medienwelt hingeben, dass sie soziale Konsequenzen einschätzen und sich angemessen verhalten können. Das müssen sie erst lernen.

„Kinder sind heutzutage viel medienkompetenter als ihre Eltern.“ Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Kristin Langer: Natürlich verschieben sich im Vergleich zu anderen Erziehungsbereichen die Parameter, wenn Kinder nicht mehr nur die Anzuleitenden sind. In bestimmten Bereichen haben sie ein anderes Wissen als ihre Eltern, da geht es zum Teil um ganz banale Dinge wie Einstellungen zu Bildschirmschonern oder Klingeltönen. Das ist aber eine Situation, mit der Eltern zum Teil nicht gut umgehen können. Sie sind in vielen Lebensbereichen gewohnt, mehr zu wissen und sie möchten in der Medienwelt ihr Kind in jedem Falle schützen. Sind sie selbst aber nicht so medienaffin wie der Nachwuchs, kann es dann schnell zu Konflikten kommen.

Als Medienpädagogin muss ich aber darauf hinweisen, dass allein die Fertigkeit des Umgangs mit einem technischen Gerät keine Medienkompetenz ist. Medienkompetenz heißt auch, Mediennutzung in einen sozialen Zusammenhang einzuordnen. Wenn also Oma und Opa zu Besuch kommen, wende ich mich auch ihnen zu und lasse mich nicht von digitalen Medien vereinnahmen, auch wenn ich mich gerade in einem digitalen Wettstreit mit meinen Klassenkameraden befinde.

Einschätzen lernen, was mir gut tut, und was eher nicht, gehört zur Medienkompetenz. Kinder wissen relativ schnell, wovor sie sich gruseln und was sie nicht gut aushalten können, wenn zum Beispiel Tiere sterben oder bedrohliche Musik im Hintergrund läuft. Und das ist auch unabhängig davon, was Eltern oder Klassenkameraden empfinden. Darauf gehe ich als Elternteil am besten ein und spreche mit meinem Kind über seine Ängste und darüber, wie sie zu meistern sind.

Die Medienkompetenz von Kindern und Eltern ist also nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders. Wenn Kinder und Eltern regelmäßig darüber im Austausch sind, welche Fernsehsendungen sie gerne schauen, wie sie ihr Smartphone bedienen oder welchen Messengerdienst sie nutzen möchten, sind das gute Voraussetzungen dafür, dass sich die Kompetenzen von Eltern und Kindern aufeinander zubewegen.

Kompetenz und Erfahrung hat auch immer mit der eigenen Medienbiografie zu tun. Wenn Eltern in ihrer eigenen Kindheit nicht ständig Medien nutzen durften oder immer speziell um Erlaubnis fragen mussten, prägt sie das natürlich auch im Umgang mit den eigenen Kindern. Genauso ist das mit Sehgewohnheiten: Wenn Eltern in ihrer eignen Kindheit Disney-Filme klasse fanden, heißt das nicht, dass ihr Kind im selben Alter das genauso empfindet. Und das muss ich akzeptieren.

"Kinder lernen heutzutage kaum noch, mit Heimweh umzugehen"

Was ist wichtig, wenn andere Erziehende als die Eltern oder Erziehungsberechtigten beim Thema Medien ins Spiel kommen? Oder wenn gar verschiedene Konzepte der Mediennutzung aufeinanderprallen?

Kristin Langer: Da geht es vor allem um Kommunikation und konkrete Verabredungen. Die Betreuenden müssen wissen, dass sie nicht alleine agieren. Gerade Freizeitbegleiter müssen sich in der Medienwelt gut auskennen und ihr Wissen immer wieder auf den neusten Stand bringen, denn sie übernehmen zum Teil die Erziehungsverantwortung der Eltern. Da muss es Absprachen geben, wer an welcher Stelle die Hauptverantwortung trägt.

Gerade bei Ferienfahrten müssen auch Eltern lernen, dass sie ihr Kind nicht immer erreichen können. Kinder lernen heutzutage kaum noch, mit Heimweh umzugehen. Viele Eltern würden so etwas gerne über digitale Endgeräte an den Betreuenden vorbei regeln, aber das ist kontraproduktiv. Kinder werden ja auch stark dadurch, dass sie in einem bestimmten Alter lernen, sich von zu Hause abzulösen und sich auch in der Gemeinschaft aufgehoben fühlen. Hier gilt es, miteinander zu reden und sich über Haltungen auszutauschen.

Natürlich tue ich als Betreuender gut daran, ein Kind nicht gegen den Willen der Eltern irgendwelchen oder überhaupt Medieneinflüssen auszusetzen, das führt unweigerlich zu Missverständnissen oder Konflikten. Die Kinder haben damit weniger Probleme, denn sie können leichter trennen, dass die Mediennutzung in der Familie anders funktioniert als in der Schule, im Kindergarten oder in der Jugendgruppe.

Ein eindeutiger Rahmen ist immer der Kinder- und Jugendmedienschutz. Damit müssen sich Betreuende unbedingt auskennen. Das beginnt schon damit, dass ich eine Gruppe Sechsjähriger nicht in einen Film ab 12 mitnehme (oder ihn per DVD zeige). Das sollte ja klar sein. Gerade der Kinder- und Jugendmedienschutz kann aber auch eine Garantie für die Eltern sein: Wenn die Betreuenden transparent machen, wie ihr Medienkonzept ist und was sie leisten können, haben Eltern die Sicherheit, dass auf der LAN-Party in der Kirchengemeinde nur Games ohne Altersbeschränkung oder eben altersgerechte Spiele gespielt werden.