Anwalt: Jüngste Auschwitz-Prozesse haben Deutschland-Bild verändert

 Nebenkläger Thomas Walther
© epd-bild/Hans-Juergen Wege
Der Rechtsanwalt der Nebenkläger Thomas Walther (re.) und Interessenvertreter und Rechtswissenschaftler Cornelius Nestler bei der Verhandlung gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning 2015.
Anwalt: Jüngste Auschwitz-Prozesse haben Deutschland-Bild verändert
Der Auschwitz-Prozess gegen Oskar Gröning und weitere Verhandlungen der vergangenen Jahre gegen frühere SS-Leute haben nach Ansicht des Kemptner Rechtsanwaltes Thomas Walther vor allem in jüdischen Gemeinden im Ausland das Deutschland-Bild verändert.

"Das Gröning-Urteil wird als große späte Leistung des deutschen Staates gesehen, nach langer Zeit ein klares Wort zu finden", sagte Walther, der in dem Prozess in Lüneburg viele Nebenkläger vertreten hat, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Gröning war 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Zuvor hatte sich die deutsche Justiz jahrzehntelang dagegen gesperrt, Wachleute und sonstige Helfer allein wegen ihrer Rolle als "Rädchen im Getriebe" der Mordmaschinerie der Nazis wegen Beihilfe zu verurteilen.

Erst kürzlich sei er zu Vorträgen unter anderem in Mexiko, Kuba und Costa Rica gewesen, sagte Walther. Dort seien ihm in einst von Holocaust-Überlebenden gegründeten Gemeinden ein unglaubliches Interesse, große Dankbarkeit und ein sich änderndes emotionales Verhältnis zu Deutschland begegnet. Auch für die Auschwitz-Überlebenden, die als Nebenkläger im Gröning-Prozess aufgetreten sind, bedeute die späte Gerechtigkeit viel. Eine Überlebende aus Toronto habe ihm nach dem Urteil gesagt: "Mir ist durch das Erleben dieses Verfahrens quasi ein neues Leben geschenkt worden."

Der frühere SS-Mann Oskar Grö†ning am 15.07.15 beim Prozess.
Walther hat auch weitere Prozesse gegen frühere SS-Täter mit initiiert und Nebenkläger vertreten. Sein Ziel war es, dass wie bei anderen Straftaten in diesen Prozessen die Beihilfe am Massenmord der Nazis ebenfalls juristisch geahndet wird. Im Detmolder Verfahren gegen den Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning bestätigte der Bundesgerichtshof nach Hannings Tod im Rahmen der Einstellung des Revisionsverfahrens im vergangenen Jahr ebenfalls dessen Verurteilung. Andere Verfahren wurden abgebrochen, weil die Angeklagten wegen ihres hohen Alters als nicht verhandlungsfähig galten.

Dass wie bei Gröning ein Urteil noch zu Lebzeiten des Angeklagten rechtskräftig wird, wird aus Walthers Sicht wohl einmalig bleiben. Zwar gebe es weitere Ermittlungen. "Vieles spricht aber dafür, dass sie nicht mehr zu einem rechtskräftigen Urteil führen werden", sagte er. Dennoch sei er zufrieden, weil auch durch seinen Einsatz ein jahrzehntelanges Versagen der Justiz korrigiert worden sei.

Mit Blick auf die deutsche Gesellschaft werde der Effekt eher gering ausfallen, sagte der Anwalt. Während der Verfahren sei die Resonanz vor allem in den Medien groß und positiv gewesen. Doch ein bleibender Lerneffekt in der Mitte der Gesellschaft bleibe aus. Er beobachte vielmehr "eine Verwilderung der Sprache, eine Verrohung von Sitten in der politischen Auseinandersetzung und eine erbarmungslose Abgrenzung gegenüber Flüchtlingen ebenso wie steigende judenfeindliche Tendenzen".